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Doppelte Schuld

Titel: Doppelte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Notizblock kritzelte. Sie spürte große Lust, ihm den Block aus den Fingern zu reißen. Hier gibt es nichts aufzuschreiben- und nichts zu skizzieren, wollte sie schon sagen, als sie sah, was er aufzeichnete. Das Haus, die Bank. Sie. Zeus. Und …
    Sager blickte auf und lächelte. »Was für ein süßes Schweinchen. Sie ziehen es wohl mit der Flasche auf?«
    Und ich lass’ mich auch nicht durch Freundlichkeit einwickeln, dachte Katalina und schwieg grimmig.
    Köster schob sein Gesicht vor. Ihr fiel auf, daß der Mann gerötete Augen hatte. Vom Saufen? Sie wich zurück.
    »Vorgestern gegen 17 Uhr wurde dieser Mann hier gesehen, wie er Ihre Tierarztpraxis betrat. Erkennen Sie ihn wieder?«
    Er hielt ihr ein Foto hin. Sie wußte, welcher Anblick sie erwartete, trotzdem hatte sie plötzlich Mühe beim Schlucken. Sie nickte.
    »Ihr Nicken kann der Kollege Sager nicht mitschreiben«, sagte Köster und warf Sager einen ungehaltenen Blick zu. »Wenn er denn geruhen würde, sich unserer Angelegenheit hier zu widmen.«
    Sager hob den Bleistift, als ob er salutieren wollte, und sah sie erwartungsvoll an.
    »Ja«, sagte Katalina.
    »Und – was wollte er von Ihnen?«
    Katalina brachte kein Wort heraus. Was sollte sie schon sagen? Der Mann suchte nach einem Blindenhund, und ich habe einen gesehen, gestern früh, in der Nähe des Toten?
    »Nur um Ihnen die Lage zu verdeutlichen, Frau Cavic.« Sager hatte eine sanfte, geradezu kosende Stimme. Und er sprach sogar ihren Namen richtig aus. »Der Mann ist tot. Seit gestern morgen. Er wurde im Gebüsch gefunden, hier im Schloßpark, nur ein paar Meter von Ihrer Wohnung im Kutscherhaus entfernt. Da wohnen Sie doch, oder? Nicht im Schloß?«
    Als ob das nicht bekannt wäre. Wahrscheinlich glaubten alle, sie sei heimlich bei Moritz eingezogen.
    »Haben Sie etwas gehört? Gesehen? Hat der Hund gebellt?« Köster unterbrach, ungeduldig.
    Katalina schüttelte stumm den Kopf.
    »Auch nicht, als Sie mit Ihrem Hund Gassi waren? Wie Sie es jeden Morgen tun?«
    Köster war der bullige, der unangenehme Typ. Aber Sager … sie betrachtete den jungen Mann mit der Intellektuellenbrille und dem breiten Kreuz, der sie freundlich anlächelte. Er war der gefährliche Typ. Er war so einer von der Sorte, die um Entschuldigung baten, bevor sie einem weh taten.
    »Ich habe nichts gesehen und auch nichts gehört.«
    »Was wollte der Mann von Ihnen? Ich meine, ist das normal, daß jemand zu Ihnen in die Praxis kommt ohne Haustier?«
    Katalina sah stumm von einem zum anderen. Natürlich war das nicht normal.
    »Sie sind nicht kooperationsbereit, Frau Cavic«, konstatierte Köster.
    Sie wußte, was das hieß. Wer nicht kooperierte, den zwang man dazu. Katalina preßte die Lippen zusammen. »Er brauchte ein Wurmmittel. Für seine Katze.«
    Die beiden nickten, als ob sie mit so einer fadenscheinigen Lüge gerechnet hätten. Sager schaute zu Köster und klappte seinen Notizblock zu. Sie verabschiedeten sich kühl. Sie würden wiederkommen.
    Katalina nahm einen tiefen Schluck aus dem Rotweinglas und gab es endlich auf, gegen die Tränen anzukämpfen.
6
    »Du schaust in die Ferne und fixierst dort einen Punkt – den Adler, den der Pfeil deiner Vorstellung erreichen soll.« Mary versuchte, sich in die Bewegung zu versenken, aus der die zweite Übung des Baduanjin, »Den Adler schießen«, ihren Namen ableitet. Sie war nicht konzentriert, jedenfalls nicht so, wie es sich gehört beim Taiji. Dabei liebte sie die acht Brokatübungen, die angeblich so heißen, weil sie so schön sind wie edler Brokat. »Du schaust entspannt in die Ferne. Dies ist der Ausgangspunkt für die Bewegung der rechten Hand nach außen. Die Bewegung beginnt von neuem …«
    Anstatt entspannt in die Ferne zu blicken, schaute sie hinüber zu Lux, dem einzigen lebenden Wesen im Raum, das entspannt zu sein schien. Aber selbst das freundliche Hundegesicht vermochte die Erinnerung an die erschrockenen Augen der Frau gestern abend auf der Terrasse des Hotels nicht zu vertreiben.
    Die Frau hatte sie angesehen, als ob sie ein Gespenst wäre. Mary fragte sich, wodurch sie die junge Frau erschreckt hatte. Jung war natürlich relativ, sie sah nach Mitte oder Ende 40 aus, eine große schlanke Person, das Gesicht ungeschminkt, die dichten braunen Haare kinnlang geschnitten. Sie hatte sich nervös in den Nacken gegriffen und die Hand dann sinken lassen, als ob sie etwas Verbotenes getan hätte. Ihr Hund war eine außergewöhnlich häßliche Promenadenmischung,

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