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Doppelte Schuld

Titel: Doppelte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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bei Interpol vorstellig geworden – alles vergebens.
    »Gegen die Frau liegt nichts vor, Rabenmutter sein ist kein Straftatbestand«, hatte der Polizeidirektor gesagt, den er beim Golfspielen kennengelernt hatte. Sie mißverstehen mich, hätte er am liebsten geantwortet. Ich suche die Verlobte meines Adoptivvaters, die er seit mehr als sechzig Jahren nicht mehr gesehen hat. Meine Mutter wird schon gewußt haben, was sie tat, als sie mich verließ.
    Was für ein frommer Selbstbetrug. Was half es dem Alten, seine geliebte Stella wiederzusehen, nach all den Jahren, kurz vor dem Sarg? Nichts. Späte Begegnungen zerstören nur das Traumbild, das man sich in all den Jahren aufbewahrt hat. Auch deshalb hatte er Rebecca nie wieder besucht seit damals – seit er Verena und ihre Mutter nebeneinander stehen gesehen hatte. Seit der Geburt von Sacha, Verenas Tochter.
    Und er? Was sollte er wohl mit einer Mutter anfangen, die noch vor seinem fünften Geburtstag verschwunden war? Und wieso sollte Katalina Sehnsucht haben nach einem Vater, der sie mißhandelt, und nach einem Bruder, der sie nicht geschützt hatte? Wiedergefundene Väter und Mütter würden dem Leben nichts hinzufügen. Wenn er ihr das sagte, wenn er ihr versprach, das Thema künftig zu meiden, wenn sie beide versuchten, in der Gegenwart zu leben …
    Moritz wich einer Frau aus, deren Hund kläffend an der Leine zog. Er vermißte Katalina. Und wenn er schon nicht sie vermißte, dann doch wenigstens Zeus, den häßlichsten und klügsten Hund der Welt. Er schlug den Weg zum Parkplatz ein und beschloß, sich den Rest des Kongresses zu schenken.
    Auf der Fahrt zurück nach Blanckenburg fühlte er sich befreit und orientierungslos zugleich. Die Suche war vorbei – er mußte sich an den Gedanken erst gewöhnen. Mit dem Toten im Schloßpark war erledigt, was ihn monatelang beschäftigt hatte.
    Frank Beyer von der Detektei Hermes in Berlin war der einzige gewesen, der auf seine Suchanzeige im Web reagiert hatte. Moritz hatte ihn gleich zurückgerufen und war dann nach Berlin gefahren. Das Büro der Detektei Hermes sah nicht danach aus, als ob hier lauter Marlowes mit rauher Schale, goldenem Herzen und Whiskeyflaschen in den Schreibtischschubladen arbeiteten. Es schien überhaupt nur einen einzigen Marlowe zu geben in dem weißgestrichenen Parterrebüro mit dem häßlichen Sichtschutz vor dem Schaufenster. Hier mußte früher ein Milchladen gewesen sein. Oder der Friseur.
    »Ich finde sie«, verkündete Frank Beyer, ganz investigativer Supermann.
    Gleich wird er nach einem Vorschuß fragen, hatte Moritz gedacht.
    »Und ich arbeite gegen Erfolgshonorar«, hatte Beyer angefügt, als ob er Gedanken lesen könnte.
    Warum zum Teufel hat er Gregor besucht und nicht mich? dachte Moritz. Hat er etwas herausgefunden? Und ist er womöglich deshalb tot?
    Die untergehende Sonne hatte sich in feine Schleier gehüllt. Am Horizont stand ein blasser Mond. Hinter Heimburg führte die Straße durch den Wald, am Großen Bärenstein vorbei. Instinktiv ging er vom Gas, gerade noch rechtzeitig, bevor die Bache mit den sechs gestreiften Frischlingen selbstbewußt über die Straße trottete. Er bremste den Volvo ab und ließ den kleinen Trupp passieren.
    Nur kurz erwog er die Möglichkeit, alles der Polizei zu erzählen. Aber wozu? Man wußte ja, daß die Identifikation des Toten nur eine Sache von Stunden war. Das Geständnis, daß er den Mann kannte, würde nur zu einer unendlichen Kette von Komplikationen führen. Und er wollte nicht, daß bekannt wurde, wie der zweite Auftrag an die Detektei Hermes gelautet hatte: Frank Bayer sollte herausfinden, was aus Katalinas Vater geworden war.
    Er mußte Katalina überreden zu bleiben.
10
    Heute abend fehlte er Mary, der »Ich bin hier nur die Vertretung«-Carlo. Er hätte nicht ein Wort über ihren Wunsch verloren. Frau Willke hingegen stellte sich an, als ob sie nach der richtigen Dosis für einen todsicheren Selbstmord in der Badewanne verlangt hätte.
    »Ich möchte eine Flasche Riesling und ein Glas, sonst nichts.«
    »Ja, natürlich, aber sind Sie sicher …«
    Mary legte der Frau die Hand auf den Unterarm. »Machen Sie sich mal keine Sorgen. Ich muß nachdenken, das ist alles.«
    Aber auch Lux schien sie vorwurfsvoll anzusehen, als sie sich oben im Hotelzimmer ein Glas eingoß. Der Wein war kühl und frisch. Sie nahm das Glas mit auf den Balkon und stellte es auf den Fenstersims.
    Das Schloß lag verheißungsvoll im goldenen Licht der

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