Doppeltes Spiel (German Edition)
hier«, sagte Lysette.
Seine steinerne Miene erweichte sich um eine Winzigkeit. »Ja, ich liebe diesen Ort auch«, sagte er. »Wir werden bestimmt heute Abend noch hier draußen sitzen.« Er deutete auf eine Gruppe von Korbsesseln und niedrigen, verschnörkelten Eisentischen, auf denen kleine Windlichter standen. Lysette riss sich von dem Anblick los und folgte Nicholas die Treppe empor, die auf einer zum Patio hin offenen Loggia endete.
»Tante Geneviève, wir sind da«, rief er und öffnete die erste Tür, an der sie vorbeikamen.
»Kommt herein, Kinder«, hörte Lysette eine Frauenstimme rufen.
Lysettes Herz schlug bis zum Hals. Nicholas legte eine Hand auf ihren Rücken, um sie durch die Tür zu geleiten, und es durchfuhr sie wie eine kleine Entladung. Nicholas schien etwas Ähnliches gespürt zu haben, denn er zog die Hand zurück, als hätte er sich verbrannt.
Sie standen in einem hellen Salon, der mit hübschen, verspielt wirkenden Stilmöbeln eingerichtet war. Auf dem Tisch, der bereits für den Tee eingedeckt war, stand eine Vase mit üppig blühenden gelben Rosen, und vor den Fenstern hingen weiße Chiffongardinen, die sich leise im Luftzug bewegten. Es duftete zart nach Rosen und Lavendel.
Lysette, die ganz darin versunken war, das hübsche Bild in sich aufzunehmen, schrak zusammen, als sich ihnen das rhythmische Klopfen eines Stockes auf dem Holzboden näherte.
» Soyez les bienvenus! «, sagte die hochgewachsene Frau, die nun ins Zimmer hinkte. »Nicholas, mein Junge«, sie hielt ihm die Wange hin, die er liebevoll küsste. »Margo. Hatten Sie eine angenehme Fahrt?«
Lysette murmelte etwas Verbindliches und kämpfte ihre Überraschung hinunter. Sie hatte eine zerbrechliche alte Dame erwartet, nicht diese elegante und trotz des Stockes, auf den sie sich stützte, sportlich wirkende Frau. Sie musste über sich selbst schmunzeln. Die Fotos hatten ihr nicht verraten, dass die Tante der Brüder nur einen knappen Kopf kleiner war als Nicholas. Und obwohl ihr modisch frisiertes Haar schneeweiß war, glich sie auch insofern ihrem Neffen, als sie das eher jugendlicher als älter erscheinen ließ.
»Wo ist Philippe?«, fragte ihre Gastgeberin.
»Er bringt seinen Nobelschlitten zum Stellplatz.«
Tante Geneviève schnaufte amüsiert. »Setzt euch schon mal an den Tisch«, befahl sie. »Ihr müsst doch hungrig und durstig sein nach der langen Fahrt.«
Lysette lächelte. Das hatte ihre Großmutter auch immer gesagt, auch wenn sie nur ein paar Minuten für den Weg zu ihr gebraucht hatten. Sie wechselte einen verständnisinnigen Blick mit Nicholas und schlug dann erschreckt die Augen nieder. Es fiel ihr so schrecklich leicht, ihn anzulächeln, und sie musste sich sehr im Zaum halten, das nicht die ganze Zeit über zu tun.
Geneviève klingelte mit einer zierlichen Silberglocke, die auf dem Tisch stand. »Raniya, bring uns den Tee«, sagte sie zu der herbeieilenden dunkelhaarigen Frau im adretten schwarzen Kleid mit weißer Schürze, ganz offensichtlich das Dienstmädchen.
Nicholas war seiner Tante dabei behilflich, sich zu setzen, und schob dann höflich Lysettes Stuhl zurecht.
Das Mädchen rollte einen leise klingelnden Servierwagen herein und begann, den Tisch zu decken. Silberne Platten mit appetitlich aussehenden Sandwiches und zuckerglasierten Petits Fours wanderten auf den Tisch, Kristallschälchen mit Konfitüre, ein hübscher Porzellankorb mit Madeleines und dünnen Weißbrotscheiben, Mandelkekse und Orangengebäck, geschlagene Sahne, Tee und Kaffee, die auf einer Warmhalteplatte standen.
Geneviève überblickte mit nachdenklicher Miene das Angebot und sagte dann: »Falls die Herren noch Lust auf Herzhaftes verspüren, haben wir doch sicher noch etwas Käse und Salami vorbereitet, oder, Raniya?«
Das Dienstmädchen bejahte und schob den Servierwagen hinaus.
Kurz darauf öffnete sich erneut die Tür und Philippe trat ein. »Entschuldige, dass ich euch habe warten lassen, Tante Geneviève«, sagte er und küsste sie rechts und links auf die Wange. »Ich musste noch eine Zeitung besorgen, wegen der Rennergebnisse.«
Tante Geneviève schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Du bist unmöglich, Philippe. Setz dich hin.”
Das schweigsame Dienstmädchen schenkte den Brüdern und Lysette Kaffee und ihrer Hausherrin Tee ein und verschwand wieder in der Küche. Tante Geneviève machte Konversation, sie erkundigte sich, wie es ihren Neffen ging und fragte nach dem Ausflug, den Philippe mit Lysette
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