Doppeltes Spiel (German Edition)
Blick.
»Danke, äh - Tante Geneviève«, sagte Lysette. »Nun, ich ... ich bin Nicholas in den letzten Tagen zum ersten Mal etwas näher gekommen. Er ist sehr sympathisch.«
Geneviève schnaubte. »Sympathisch«, wiederholte sie. »Liebes Kind, wer seinen zukünftigen Schwager von oben bis unten mit Lippenstift beschmiert, hat für meinen Geschmack eine ziemlich eigenwillige Auffassung von Sympathie.« Sie beugte sich vor und fixierte Lysette, die sich unter diesem Blick fühlte wie eine Fliege im Netz, die höfliche Konversation mit der Spinne betreiben musste.
»Philippe ist ein Hallodri«, kam die Spinne - Pardon, Tante Geneviève - zu ihrer Überraschung unverblümt zur Sache. »Ich denke, dass ich ihn zu sehr verwöhnt und verhätschelt habe. Eh bien, c'est comme ça , daran lässt sich nun nichts mehr ändern.« Sie zog an ihrem Zigarillo und sah dem Rauch hinterher. »Ich mache mir zwar Sorgen um den Jungen, weil sein Lebenswandel nicht allzu solide ist«, fuhr sie fort, »aber noch weitaus mehr sorge ich mich um seinen Bruder.« Ihre Stimme war so leise geworden, als führte sie ein Selbstgespräch und hätte vollkommen vergessen, dass Lysette mit ihr im Zimmer war.
Lysette hielt den Atem an. »Warum?«, wagte sie zu fragen.
»Was wissen Sie von Nicholas?« Geneviève drückte mit einer ungeduldigen Handbewegung den halbgerauchten Zigarillo aus dem Mundstück und legte ihn beiseite. Sie faltete die Hände zu einem Spitzdach und sah Lysette darüber hinweg an.
»Nicht viel«, antwortete Lysette zögernd. »Er war verheiratet und die Ehe war wohl nicht glücklich. Das scheint ihn immer noch zu bedrücken. Im Dorf redet man über ihn und Charlot. Und er hängt sehr an seinem Weingut und an Demoiselle.« Sie lächelte.
Zu ihrer Überraschung erwiderte die strenge Geneviève das Lächeln. »Charlot und Demoiselle«, sie schüttelte den Kopf. »Und Adrienne. Damit haben Sie Nicholas' Schwächen in einem Satz zusammengefasst.« Sie versank in Gedanken, die nicht sonderlich erfreulich zu sein schienen. Lysette fand, dass sie in Rätseln sprach. Was hatte ein Hund mit einem jungen Amerikaner und was hatten diese beiden wiederum mit einer davongelaufenen Ehefrau gemeinsam?
»Nicholas hat einen Fehler«, fuhr Geneviève fort. Sie trommelte mit den Fingern auf die Schachtel mit den Zigarillos und schien mit sich zu kämpfen, ob sie einen zweiten anstecken sollte. »Er hat ein viel zu weiches Herz. Demoiselle hat er auf der Straße zum Gut gefunden, jemand hatte sie angefahren und mit gebrochenem Bein liegen lassen. Nicholas hat sie zum Tierarzt geschleppt und sich um sie gekümmert, bis sie wieder laufen konnte, seitdem lässt sie sich für ihn vierteilen. Er hat schon als Junge ständig irgendwelche verletzten Tiere angeschleppt, die ich dann gesund pflegen musste. ›Tata , bitte mach es heil‹.« Sie lächelte über die Erinnerung, aber ihre Stirn blieb gerunzelt. »Der Junge, Charlot, war auch so ein Fall. Völlig heruntergekommen, zerlumpt und verhungert war er, als Nick ihn aufnahm. Jeder andere hätte ihm etwas zu essen gegeben und ihn danach wieder auf die Straße gesetzt, aber nicht mein Neffe!«
»Er ist ihm aber eine gute Hilfe geworden«, warf Lysette ein.
»Unersetzlich«, erwiderte Geneviève. »Ich habe den Jungen sehr gern, er unterstützt Nicholas wirklich nach Kräften und würde für seinen patron durchs Feuer gehen. Genau wie Demoiselle.« Sie schob unschlüssig das Feuerzeug über den Schreibtisch. »Diese beiden sind treu wie Gold«, fuhr sie fort. »Aber Nick hat nicht immer so ein Glück mit seinem Pflegefällen gehabt.«
Lysette begann etwas zu ahnen. »Seine Frau?«
»Adrienne«, Geneviève nickte und presste die Lippen zusammen. Mit einer ungeduldigen Handbewegung öffnete sie die Schachtel, nahm einen zweiten Zigarillo heraus und steckte ihn in das Mundstück. Sie hielt ihn unangezündet zwischen den Fingern und fixierte Lysette. Warum erzählt sie mir das alles?, fragte Lysette sich unbehaglich.
»Er hat uns nie verraten wollen, wo er sie aufgesammelt hat.« Der Zigarillo drehte unruhige Kreise zwischen Genevièves Fingern. »Eines Tages wohnte sie bei ihm. Ein unscheinbares kleines Ding, von ihrem Stiefvater vor die Tür gesetzt, weil sie sich von irgendeinem Mann hatte schwängern lassen.« Sie zuckte ungeduldig mit den Schultern und ließ das Feuerzeug aufschnappen. Die flackernde Flamme beleuchtete ihr Gesicht.
»Nicht von Nicholas?«
»Er sagte, nein. Ich habe es ihm
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