Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dorfpunks (German Edition)

Dorfpunks (German Edition)

Titel: Dorfpunks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rocko Schamoni
Vom Netzwerk:
Ich schrie sie an, dass sie Schweine seien, was sie von mir wollten, ich hätte ihnen doch nichts getan. Dann erinnerte ich mich, dass ich nur eine einzige Patrone im Lauf hatte. Ich drehte mich um und sprintete los, setzte auf den Überraschungseffekt. Das Problem war bloß, dass ich aus Coolnessgründen keine Schnürsenkel trug. So verlor ich nach wenigen Metern meine Schuhe und flog der Länge nach auf die Fresse, wobei mir die Pistole aus der Hand rutschte. Die Typen standen zuerst fassungslos da, kamen dann aber gleich angerannt. Ich konnte nicht fassen, wie ungerecht die ganze Sache hier lief.
    Bauern: Komm her, du Sau, jetz gibs Maul!
    Ich: Ey, lasst mich los, ihr Schweine …
    Bauern: Was? So, pass auf …
    Ich: Ey, warte mal, so eine Scheiße, wenn euch das passieren würde!
    Bauern: Hä? Was?
    Ich (zornig und den Tränen nahe): Na, ihr geht ’ne Straße lang und wollt nach Hause. Da kommen so Typen und schlagen euch total grundlos aufs Maul. Was hab ich denn getan? Hä? Was denn?
    Bauern (erst überlegend, dann auftrumpfend): Na, wenn du uns nich sachst, wo was los ist …
    Ich: Wieso, hab ich doch, aber da wart ihr ja schon. Was kann ich denn dafür?
    Bauern: Hä? (einer zum anderen) Oder hat der was anderes Bescheuertes gemacht? Oder warum kricht der auf Maul? (Anderer Bauer zuckt mit den Schultern.)
    Ich (zu dem Kleinen): Siehst du, ich hab nämlich nichts gemacht, was soll das denn? (Heulend, weil ich mir die Arme aufgeschürft hatte und meine Nase blutete und alles so Scheiße war.)
    Der kleine Bauer (für mich vollkommen unerwartet): Ey, na komm, tut mir Leid, das wollten wir so auch nich, wenn du nich was gemacht hast, denn kris du auch nich auf Maul … (Er hilft mir auf; diffuses, besoffenes Mitleid der drei umhüllt mich.)
     
    In dem Moment betrat ein alter Feind von mir die Szene, ein widerlicher Alkproll, der mich oft angemacht hatte und schon lange auf die Möglichkeit wartete, mich fertig zu machen. Er sah, wie die drei Bauern mich am Arm hielten, und dachte, da könne er sich konstruktiv einbringen. Zähnebleckend kam er näher und nölte was von «aber jetz endlich auffe Fresse hauen». Doch als er in Reichweite war, ließ mich der stämmige Bauer los, schnappte sich den völlig überraschten Alki und schlug ihm präventiv die Fresse ein, bis er winselnd auf dem Boden lag. So geht’s ja wohl gar nicht, fremde Opfer wegschnappen, muss der Bauer sich gedacht haben. Während sich die Aufmerksamkeit aller auf diesen Kampf richtete – es hatte sich mittlerweile ein Pulk auf der Straße gebildet –, machte ich mich leise und vorsichtig davon, barfuß. Hundert Meter weiter stand hinter einer Ecke eine junge Frau. In der Hand hielt sie meine Pistole. Sie richtete sie auf mich. Eine Weile standen wir stumm da, dann hielt sie sie mir zögernd hin. Sie hatte schwarze Augen. Der Mond schien ihr ins Gesicht, und hinter mir hörte ich den schreienden Prügelhaufen. Wir standen uns gegenüber, zwischen uns die Pistole in meiner Hand. Dann gingen wir jeder für sich nach Hause.

Der Hypnotiseur
    Bei Meier gab’s immer wieder Attraktionen. Oft spielten dort bekannte Bands wie Lake oder Ian Cussick, ab und zu auch Musiker aus der Gegend, beispielsweise eine Band aus Laboe, die so klang wie Supermax, also ganz geil.
    An einem Wochenende stand eine spezielle Show auf dem Programm, die wir alle gerne sehen wollten. Ein Hypnotiseur sollte kommen, ich glaube, sein Name war Cally. «Callys Hypnoshow», das fanden auch wir Punks spannend, in manchen Punkten gingen wir mit den Bauern dann doch d’accord. Wir hatten schon von Hypnoseshows gehört, aber keiner von uns glaubte, dass das funktionierte.
    Am betreffenden Abend war es bei Meier brechend voll, alle warteten gespannt auf Cally, und DJ Pinki musste sich bemühen, dass seine Musik nicht ganz unbeachtet blieb.
    Um 22.30 Uhr verstummte die Musik, und der sagenumwobene Cally betrat mit einer Assistentin die geflieste Discotanzfläche. Er war etwa 45, groß, massig und trug einen hängenden Schnauzer, so einen Proll-Bart wie Lemmy von Motörhead, der von den Mundwinkeln bis zum Kinn reicht. Er wirkte Respekt einflößend, die Discobesucher bildeten einen großen Kreis um ihn herum. Er suchte nach Freiwilligen, und sofort meldeten sich etwa dreißig Frauen und Männer. Die meisten von ihnen kannte ich, aus der Schule oder von hier. Der Einzige aus unserer Punk-Gang, der sich meldete, war Honk. Er trat mit den anderen Freiwilligen nach vorne auf die

Weitere Kostenlose Bücher