Dorfpunks (German Edition)
gehen, mich ausziehen und wortlos mit Sex beginnen. Was sollte ich sagen, was war normal? Verlegen öffnete ich die Tür und trat ein. Evelyn stand im Raum und hatte bereits ihren Pullover ausgezogen. Ich stotterte irgendwas, aber sie zog mich wortlos an sich ran, und wir küssten uns schüchtern. Dann zog sie sich aus und legte sich nackt aufs Bett. Ich fand das unglaublich. Sie war so schön, und ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte. Ich hatte noch nie vorher mit einer Frau geschlafen, und Evelyn war offenbar viel weiter als ich. Während sie sich ein Verhütungsmittel einführte, zog ich mich aus. Ich glaube, ich war ein wirklich stümperhafter Liebhaber. Ich streichelte sie unbeholfen, versuchte, mich daran zu erinnern, wie die Typen es in Pornofilmen, die ich gesehen hatte, machten, legte mich zwischen ihre Beine und kam sofort. Sie tat so, als wenn es trotzdem okay gewesen wäre, lächelte und versuchte mir die Scham zu nehmen, aber mein verletzter Stolz brannte schmerzlich. Ich Versager. Wir zogen uns an und gingen wieder nach nebenan. Vor den anderen zog ich mich durch irgendwelche dummen Sprüche aus der Affäre, aber das Thema Sex war fürs Erste wieder ad acta gelegt. Alles andere war besser als das.
Die, die sich auf längere Beziehungen einlassen konnten, berichteten bald von gutem Sex, wir anderen blieben verschanzt wie in einer Burg, wie in einem sexuellen Hungerturm, bis wir einer nach dem anderen von unseren ersten wirklichen Lieben daraus befreit wurden.
Bis dahin beschäftigten wir uns mit uns selbst.
Ich klaute im Zeitungsladen Erotikmagazine oder fertigte aufwendig mit Bleistift Sexzeichnungen an. Eine dieser Zeichnungen, eine fulminante Fellatiophantasie, erarbeitete ich in stundenlanger Akribie und ließ sie dann dummerweise auf meinem Schreibtisch liegen. Am nächsten Tag, als ich nach Hause kam, war die Zeichnung weg. Die Putzfrau? Mir wurde schlecht vor Scham, und ich konnte ihr wochenlang nicht in die Augen schauen. Was hatte sie mit meiner Blasstudie gemacht? Ich konnte sie nicht fragen. Ich fühlte mich beraubt. Sie hatte sie sicherlich angewidert weggeschmissen.
Aber ich hatte auch aufregende Rendezvouz mit der Einsamkeit. An einem warmen Frühlingsabend brach ich vom Besuch bei einer Freundin auf, die in der Nähe der Ostsee wohnte. Es dämmerte schon, und da kein Auto über die engen Landstraßen fuhr, das ich hätte anhalten können, ging ich zu Fuß los. Ich wanderte vorbei an den farblosen Feldern, Hecken und Siedlungen, etwa eine halbe Stunde bis zur Umgehungsstraße, und als ich dort ankam, war es bereits richtig dunkel. Es war einer dieser Abende, die alles verschlucken, kein Mond stand am Himmel, nur ein paar Sterne blinkten in der stockfinsteren Nacht. Ich wartete ewig im Dunkeln, aber die wenigen Wagen, die vorbeifuhren, machten keine Anstalten anzuhalten. Eine Mischung aus Langeweile und Furcht erfüllte mich. Die Kreuzung war groß und umgeben von dichtem Gebüsch und hohen Bäumen, ich stand an ihrem Rand, ganz alleine, ganz offen und doch kaum zu sehen. Ein leichter Wind wehte. Die Zeit verging zähflüssig, ich war hier festgebacken, es gab kein Telefon, noch nicht mal ein Feuerzeug hatte ich dabei. Ich stellte mich mitten auf die Kreuzung und breitete die Arme aus. So würde ich stehen bleiben, egal, was passierte. Das nächste Auto musste halten, freiwillig oder unfreiwillig. Ich ließ die Hose runter und öffnete mein Hemd. Der warme Wind strich über meine Haut. Die Dunkelheit umgab mich wie Wasser, drang in mich ein. Direkt hinter der Kreuzung machte die Umgehungsstraße eine Kurve. Wie schnell konnte ich die Hose wieder hochbekommen? Und hinter dem Gebüsch führte der Fahrradweg vorbei. Wenn da jemand ohne Licht langfuhr? Ich fing an, es mir zu machen. Ich ließ den Kopf in den Nacken gleiten und sah ins Nichts. In der Ferne hörte ich ein Auto. Kam es näher, oder fuhr es weg? Egal. Ich würde schneller sein. Das Gefühl war toll, meine Nacktheit, die Anspannung, der Ort und die Nacht. Ich kam mitten auf der Kreuzung und hinterließ sechzig Millionen potenzielle deutsche Kinder auf dem Asphalt. Einen Moment lang blieb ich in dieser Verbindung zwischen Himmel und Erde hängen. Dann hörte ich Motorengeräusche und riss mir die Hosen hoch. Möglichst normal und unsexuell dreinschauend, hielt ich meinen glänzenden Daumen ins Scheinwerferlicht. Das Auto stoppte. So kam ich zum zweiten Mal in kurzer Zeit. Aber diesmal nach Hause.
Die Lederkarawane
In der
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