Dorian
Leben komplett ausfüllen konnte. Doch heute Nacht war sie als seine Patientin hier.
Sie stellte ihre Tasche ab und begutachtete die italienischen Gemälde an der Wand.
„Sind die echt?“
Christian lachte. Sie verstand genauso wenig von Kunst wie er.
„Nein, es sind Drucke… aber unwissend habe ich dafür mehr bezahlt als sie eigentlich wert sind.“
Anstatt nach seiner chaotischen Schicht nur noch müde ins Bett zu fallen, war er extrem aufgekratzt. Sie war wirklich hier bei ihm. Ihre Anwesenheit nahm den ganzen Raum ein.
„Äh, wir wollen nicht vergessen, warum Sie eigentlich gekommen sind. Wie ging es Ihnen seit heute Morgen?“
Er packte seinen Arztkoffer aus.
„Ganz gut, hab sogar etwas schlafen können.“
Sie setzte sich in den Schaukelstuhl neben dem Kamin.
„Das hört sich gut an, aber wir sollten auf Nummer sicher gehen. Also… einmal ihren Arm bitte.“
Noch nie hatte Tess ihren Arzt als Mann betrachtet. Ohne seinen weißen Kittel und seinem Stethoskop um dem Hals kam er ihr ganz anders vor. Den Respekt, den er damit ausstrahlte war verloren. So sah er aus, wie ein Medizinstudent, der gerade seine ersten Untersuchungen vornahm. Hätte sie ihn so kennengelernt, wäre sie niemals auf die Idee gekommen, dass er so ein Leben führte. Tess hob die rechte Augenbraue, seine Hände zitterten, ihre Nähe machte ihn immer noch nervös.
„Warum ich Christian?“
Er ließ erschrocken die Handpumpe fallen, als er ihr die Manschette umlegte.
„Es tut mir wahnsinnig leid, ich versuche mich wirklich zusammenzureißen aber es ist ihr Duft… er haut einen einfach um. Wie getrocknete Vanille.“
„Hm, es ist doch nur ein normales Deo aus der Drogerie.“
Er versuchte erneut die korrekten Messwerte zu bekommen. Sie waren genauso hoch wie am Morgen. Er klopfte gegen das Display. Das Gerät arbeitete einwandfrei.
„Sind Sie aufgeregt?“
„Etwas… warum?“
„Seltsam, hatten Sie in letzter Zeit evtl. Nasenbluten oder Herzrasen?“
Das letzte Mal, das ihr Herz Aussetzer machte, war als sie sich das erste Mal von Dorian verabschiedet hatte, doch das gehörte hier nicht hin. Nur warum bekam sie ihn nicht aus ihren Kopf? Neben ihr kniete ein äußerst attraktiver Mann, der sie wirklich wollte und nicht nur dumme Sprüche von sich gab.
„Nein, nur die üblichen Kopfschmerzen. Es fängt mit einem Stechen in den Schläfen an und arbeitet sich dann durch.“
„Was essen Sie?“
Er würde ausflippen, wenn sie ihm sagen würde, dass sie die gleichen Essgewohnheiten hatte, wie zu ihrer Schwangerschaft. Blutiges Steak in alle Variationen. Sie schaute verlegen zur Seite.
„Ich esse normal… alles durcheinander. Fleisch, Nudeln, Fisch…“ log sie.
„Das mit dem Fisch sollten Sie in nächster Zeit besser sein lassen. Ich hörte zwar, dass man guten bei Ihnen unten am Hafen bekommt, aber Sie haben bestimmt mitbekommen, dass viele Meerestiere gerade elendig verenden.“
Das konnte die Lösung sein. Hatte sie eine toxikologische Vergiftung?
„Ich brauche eine weitere Blutprobe von Ihnen, anders kommen wir nicht weiter.“
„Jetzt? Hier?“
„Ja, das können wir sofort erledigen. Die letzte war nicht gerade Aufschlussreich.“
Tess war das Ergebnis schon im Voraus klar. Sauerstoffmangel… wie immer.
„Wenn es Sie beruhigt… aber ich sage es Ihnen gleich, es wird nichts Neues hervorbringen.“
„Ich werde in acht Stunden wieder in der Klinik sein. Die Probe geht vorrangig sofort ins Labor. Ich gehe mal davon aus, dass Sie sich eine Fischvergiftung eingehandelt haben.“
Tess stöhnte innerlich auf. Sie hatte ihn mit ihrer Lüge zu einer falschen Diagnose getrieben.
„Bereit?“
Christian schob ihren Ärmel hoch und suchte nach einer passenden Vene. Vorsichtig stach er zu und zog ihr dunkles Blut in die Kanüle ein.
„Braves Mädchen.“ scherzte er und wollte ihr ein steriles Tuch auf die Einstichstelle drücken, doch diese war schon verschwunden.
Hoffnungslos überarbeitet. Spontanheilung… wo gibt es denn so was?
Er schüttelte die aufkommende Müdigkeit von sich ab.
„Doc, Sie sollten wirklich etwas schlafen.“
„Eigentlich wollte ich ihren Schlaf überwachen.“
Diese Worte taten weh. Es war ein Versprechen, das ein gewisser Cop ihr vor kurzem gab.
Bitte Dorian… quäle mich nicht so.
Den ganzen Tag hatte er versucht sie zu erreichen, aber sie wollte sich keine Vorwürfe anhören oder Entschuldigungen, die nicht ernst gemeint waren.
Suchend schaute sie sich
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