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Dorian

Dorian

Titel: Dorian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K. C. Hayes
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ihres Badezimmers. Schon lange hatte sie nicht mehr so geweint. Während ihr die Tränen unaufhaltsam über die Wangen liefen wurde sie von einer neuen Version heimgesucht. Sie zog ihre Knie dicht an sich heran, legte ihre Arme um die Beine und wippte leicht hin und her. Wieder sah sie sich im Spiegelsaal in Ketten liegen. Sie versuchte sich so viele Kleinigkeiten wie möglich einzuprägen. Es gab kein elektrisches Licht, nur Kerzen… schwarze Kerzen. Sie war nicht allein. Da waren Männer… drei Stück, in dunklen Gewändern. Sie konnte nicht verstehen was sie sagten, es war eine Sprache, die sie nicht verstand aber es war als ob sie sich um etwas stritten. Sie hatte große Angst und fürchtete um ihr Leben. Doch da war noch jemand, sie konnte ihn nicht sehen, aber ihr Herz spürte seine unmittelbare Nähe. Es zeriss fast vor Sehnsucht nach dem Unbekannten.
    „Nehmt mich Sir, sie kann doch nichts dafür… ich bitte Euch!“ Seine Stimme war warm und flehend. Sie war froh dass er bei ihr war. Sie wusste, dass sie bald sterben würde, aber so war sie wenigstens nicht allein. Sie erhoffte ihn noch einmal zu sehen, nur noch eine Berührung und sie wäre bereit von dieser Welt zu gehen. Einer der mysteriösen Männer kam auf sie zu.
    Das Schlagen der großen Wanduhr im Flur holte Tess aus ihrer Version zurück. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, panisch japste sie nach Luft. Ich hätte fast meinen eigenen Tod gesehen , nur war es wirklich ihrer? Und wer war der fremde Mann, zu dem sie sich so hingezogen fühlte. Noch jetzt konnte sie seine Nähe spüren, wie verzweifelt und traurig er war.
    Sie zog sich erschöpft am Waschbecken hoch und lies das kalte Wasser über ihre Unterarme fließen. Ihr war furchtbar übel und ihre Beine wollten erneut nachgeben. Verkrampft hielt sie sich an der weißen Keramik fest. Es war, als wäre sie ihrer Identität beraubt worden. Am liebsten hätte sie das Handtuch für immer vor ihren Augen gehalten, sie hatte Angst in den Spiegel zu schauen, was oder wen würde sie nach ihrer Vision sehen? Sie wurden von mal zu mal realer. War Tess für immer und ewig für sie verschwunden? Doch sie war erleichtert als das Spiegelbild die gleichen rotgeweinten Augen zeigten, die sie erwartet hatte. Sie sah fürchterlich müde aus, sie konnte sich nicht erinnern jemals dunkle Ringe unter den Augen gehabt zu haben. Wie lange würde sie dem Druck noch standhalten? Sie musste akzeptieren, dass etwas Seltsames mit ihr geschah.
    So musste sich Anakin Skywalker aus Star Wars gefühlt haben, als er zur dunklen Seite gewechselt war und zu Darth Vader wurde.
    Dieser Gedanke brachte Tess auf eine entscheidende Idee. Sicherlich würde es ihr helfen, sich optisch zu verändern. Das Dunkle was von ihr besitz genommen hatte, wollte gesehen werden. Sie musste sich damit arrangieren und sollte nur dann zum Vorschein kommen, wenn sie es wollte. Vielleicht bekam sie das Böse so unter Kontrolle, das es irgendwann von allein verschwand. Nur diese Frau, die sie aus dem Spiegel anschaute, war zu unsicher und würde es sicherlich nicht schaffen.
    „Gut Tess, bis heute Abend musst Du noch anwesend sein, dann kannst Du in Urlaub gehen.“
    Nachdem Tess für sich diese Entscheidung der Veränderung gefällt hatte, wurde sie ruhiger. Die Zeit war gekommen. Sie spürte dass etwas durch ihre Venen schoss, sie befand sich bis in den kleinen Zeh unter Adrenalin. Sie hatte plötzlich das Gefühl, sie könne alles schaffen.
    „Wenn ich mich doch nur daran erinnern könnte, was ich mit Collin angestellt habe… so ein Mist.“
    Als sie ihn angekettet am heißen Heizungsrohr sah hatte sie sich im ersten Moment entsetzlich erschreckt. Aus seinen Augen sprang ihr regelrecht die blanke Panik entgegen. Jetzt, nachdem sie zur Ruhe gekommen war, konnte sie sich an die überragende Macht über ihn erinnern. Dieses Gefühl war für sie neu und aufregend zugleich gewesen. War sie wirklich in der Lage einen Mann so zu demütigen und zu quälen? Ja, die neue Tess konnte das und sie würde es genießen. Diese Dominanz war eine Waffe, deren Umgang sie genau erlernen musste… abrufbar zum genauen Zeitpunkt. Ihr Opfer sollte keine Chance zum entkommen haben. Wenn sie erstmal ihr Netz um ihn gesponnen hatte, gab es keinen Ausweg mehr. Sie brauchte kein weiters hartes Training um ihren Körper in eine Kampfmaschine zu verwandeln. Gebrochene Knochen heilten mit der Zeit wieder zusammen, doch den Stolz, den sie ihnen rauben würde, bekamen sie nicht

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