Dorn: Roman (German Edition)
machte, obwohl ich ganz darauf bedacht war, sie nicht zu erschrecken.
Krampfhaft suchte ich in meinem Gedächtnis nach einigen Worten, mit denen ich vielleicht ihr Vertrauen gewinnen konnte. Ach, hätte ich doch viel mehr Zeit mit den Büchern meines Vaters verbracht! Ich machte einen stotternden Versuch: » nallah-menem … naiwa ethavynn. «
Das musste meines Wissens nach soviel heißen wie Ich wünsche dir einen guten Abend . Wobei ich jedoch keine Ahnung hatte, ob Elben sich auf diese Weise am Abend begrüßten.
Die beabsichtigte Wirkung trat jedoch ein. Das Mädchen hob den Kopf ein wenig.
»Kannst du mich verstehen?«, fragte ich im Versuch, meine Kenntnisse der elbischen Sprache nicht weiter zu strapazieren. Ich hoffte, so normal und beruhigend wie nur irgend möglich zu klingen.
Ein schüchternes, kaum wahrzunehmendes Nicken war die Antwort. Dann begegnete sie meinem Blick. Augen so blau wie das Meer (und bestimmt ebenso tief) starrten mich voll Unsicherheit an. Einen winzigen Moment über vergaß ich zu atmen. Trotz ihrer Angst, trotz ihrer Bedrängtheit und ihrer Defensive, war ihre Ausstrahlung deutlich wahrzunehmen.
Ich streckte ihr eine Hand entgegen.
»Bitte steh auf!«, bat ich sie und versprach: »Dir wird niemand etwas tun.«
Ich wusste, dass meine Männer den Unterton darin vernommen hatten, denn ich hörte, wie sie hastig ihre Speere in die senkrechte Haltung wuchteten.
Zögerlich, ganz zögerlich streckte mir das Mädchen ihre zarten Finger entgegen. Ihre Haut war kühl wie der Morgen. Langsam stand ich auf und half ihr auf die Beine. Jetzt sah ich auch, was sie so sehr mit jetzt nur noch einem Arm umklammert hielt: Einen ledernen Rucksack, ebenso tropfnass, wie der Rest von ihr. Ich bot ihr mit einer Geste an, ihn für sie zu tragen. Doch sie zog ihn ein Stückchen zurück, daher versuchte ich es gar nicht erst weiter.
»Bestimmt ist dort drin irgendein Elbenzauber«, raunte einer der Soldaten halb panisch.
Ich hatte zu wenig Elben in meinem Leben getroffen, um zu wissen, was sie für gewöhnlich mit sich herumtrugen. Aber dieses Mädchen wirkte wie niemand, der hergekommen war, um uns Böses zu tun.
»Hör auf, Blödsinn von dir zu geben und besorg lieber einen Stapel Wolldecken. Und weise eines von Älas Mädchen an, dass sie das Kaminfeuer in der Halle anheizen soll.«
Ich legte den Arm um das Mädchen, das erbärmlich fror. Ihre Schritte waren trotz aller elbischen Grazie schwer von Regen und Kälte. Sie begann zu zittern wie Laub in den Böen des Herbstes.
Der Weg über den Hof, zurück zur Halle, war um einiges weiter, wenn man ihn mit einem bibbernden Elbenmädchen zurücklegen musste, das sich kaum auf den Beinen halten konnte. Zwar war sie schon eine junge Frau, aber einer Eingebung folgend, summte ich einen alten Kindervers, in der Hoffnung, er könne sie beruhigen.
Ruhig mein Kind, still wie die Sterne
Sieben Götter wachen von Ferne
Wenig später prasselte das Feuer, wie ich es bestellt hatte. Äla, die oberste Köchin hatte sich persönlich darum gekümmert und schien dabei gefangen zwischen Faszination, mütterlicher Besorgnis und Widerwillen.
Widerwille war auch das größte Problem, mit dem ich zu kämpfen haben würde, solange ich ein Elbenmädchen bei mir zu Gast hatte. Die Abneigung gegen Elben war im ganzen Reich stets mehr als deutlich spürbar.
Nun saß das Mädchen eingehüllt in Wolldecken auf einem der schweren Eichenstühle vor dem Kamin in der Halle, wärmte sich und starrte ins Feuer. Die Flammen spiegelten sich tanzend in ihren Augen. Den klatschnassen Lederrucksack hatte sie die ganze Zeit über nicht losgelassen.
Ich hatte auf einem zweiten Stuhl Platz genommen und wärmte mich ebenfalls von meinem Ausflug in den abendlich verregneten Burghof.
Äla, die man durchaus als korpulent bezeichnen durfte, stand unschlüssig hinter mir und beäugte das Mädchen argwöhnisch.
»Wie ist dein Name?«, versuchte ich es schließlich vorsichtig. Ich hatte bis zum richtigen Moment abwarten wollen. Vielleicht war er ja gekommen.
Das Mädchen starrte weiter ins Feuer. Ihr Gesicht hatte feine Züge, beinahe wie mit einer spitzen Feder gezeichnet. Es wirkte fast zerbrechlich, als sei es aus dem Porzellan, das sie auf der fernen Insel Lao herstellten, die jenseits des endlosen Gräsermeers im Meer lag. Hätte ich ihr Alter schätzen müssen, hätte ich vermutlich etwas um die sechzehn Sommer geschätzt.
Sie trug ein helles Reisekleid. Ihren schweren Mantel
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