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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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ungeschützte Kehle gebohrt. Warmes Blut, so tiefrot wie das eines Menschen, prasselte auf ihn herab, während der Schrei des Riesen in einem schauerlichen Gurgeln erstickte und seine mächtige Gestalt hintenüber von der Baumstammleiter kippte.
    Ich sah Fäuste, die gen Himmel gereckt wurden, schüttelte mich und raffte mich hoch. Dies würde nicht die einzige Kreatur bleiben, die heute ihr Leben ließ.
    »Kämpft!«, stachelte ich meine Männer mit lauter und rauer Stimme an. »Kämpft für eure Familien! Sie werden sterben, wenn die Riesen diese Wälle nehmen!«
    Es waren Floskeln, doch die Emotionen dahinter waren ungebremst. Und ich merkte, wie es die Harjenner, die mich hörten, anstachelte. Darum ging es schließlich: Ein Signal auszusenden.
    Wieder tauchte ein Riesenkopf über den Zinnen auf.
    »Sie dürfen die Wehrgänge niemals erreichen!«
    Rechts von mir erschien ebenfalls ein kletternder Riese. Ich hieb mit aller Gewalt nach seiner Hand, als er sich auf einer der Zinnen abstützte. Blut spritzte, und ein Finger so dick wie ein Speerschaft fiel zu Boden. Der Riese brüllte vor Wut und Schmerz und ich schaffte es nicht, dem Ruck seines Armes auszuweichen – Rückwärts wurde ich in eine Traube eifriger Nordmänner geschleudert und warf sie zu Boden. Mir blieb die Luft weg. Verzweifelt versuchte ich zu atmen, besann mich, riss die Arme hoch. Kühle Sommerluft strömte in meine Lungen. Stöhnend rollte ich mich zur Seite und stützte mich auf den Händen ab, schnaufte hart. Meine Brust schmerzte von dem Schlag und Blut tropfte von meiner Lippe. Ich stemmte mich hoch, keuchte, sammelte mich kurz. Dann fasste ich den nächsten Riesen in den Blick, biss die Zähne zusammen und stürmte an allen Männern vorbei auf ihn zu. Pures Glück verhinderte, dass seine Keule mich hinwegfegte wie ein Spielzeug, doch der Riese hatte damit seine Deckung geöffnet. Ich nahm allen Schwung mit, sprang und stieß ihm Erlenfang mit einem lauten Knacken durch das weiche Gelenk seiner Leisten bis zur Parierstange in den Leib. Jemand packte mich von hinten und zog mich zurück von der Zinne, damit ich nicht mit hinabgerissen wurde, als der gewaltige Hüne stumm vor Schreck von der Leiter den Wall hinunterstürzte. Frisches Blut spritzte mir ins Gesicht, als Erlenfang aus dem Riesenkörper glitt. Ich stand auf der Zinne und riss Erlenfang für jeden sichtbar in die Höhe. Glänzendes Rot tropfte vom Schwert. Es würde jeden Harjenner beflügeln, wenn er sah, dass ein einzelner Mann einen Riesen eigenhändig auf die sonnenlose Straße schicken konnte.
    »Kommt schon!«, schrie ich den Riesen entgegen wie im Rausch. »Kommt schon!«
    Der nächste Riese hatte die Leiter zur Hälfte erklommen und wollte mit dem Ergreifen der nächsten Sprosse zum Schlag ausholen. Geistesgegenwärtig trat ich mit Wucht nach seiner Keule, ging in die Hocke und stieß mit meinem schlanken Schwert nach seinem Gesicht. Ich traf ihn mit Erlenfangs Spitze an der Stirn. Der Schnitt war zwar nicht tödlich, aber reflexartig ruckte der Riese mit Kopf und Oberkörper vor der Klinge zurück und verlor den Halt auf den öligen Sprossen. Schwer fiel er nach unten und riss seinen Kampfgenossen unter ihm auf der Leiter mit sich. Polternd und mit aller Wucht prallten sie auf dem Erdboden vor dem Wall auf. Ich sprang von der Zinne und schob mit aller Kraft am rechten Holm der schweren Leiter – sofort kamen mir ein halbes Dutzend Harjenner zur Hilfe und endlich, bevor die Riesen sie wieder bemannt hatten, bewegte sich das schwere Gerät und kippte hintenüber. Das reine Gewicht der Leiter reichte aus, um sie mit einem Krachen in ihre Einzelteile zerbersten zu lassen, als ihr oberes Ende auf der Ebene aufkam.
    Grimm benebelte meinen Blick. Wie ein Berserker begann ich, mit allem, was ich fand auf weitere Riesen einzuschlagen. Die Männer um mich herum hatte mein Elan angesteckt. Überall wo ich hinblickte, wurde die Riesen vom Erobern der Wälle ferngehalten.
    Unnachgiebig ging der Kampf weiter. Stunde um Stunde stürzten wir die Riesen von den Wällen. Der Kraftaufwand, den jeder dazu aufwenden musste, war gewaltig. Aber wir hielten stand. Weiter, weiter, immer weiter. Jedes Mal, wenn ich wieder ein Podest zur Aussicht erklomm, um mir einen Überblick über das Geschehen zu verschaffen, wurde ich darin bestätigt, dass auch auf allen anderen Brechern und entlang der Wallabschnitte dazwischen die Riesen an keiner Stelle auf den Wällen Fuß gefasst

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