Dorn: Roman (German Edition)
Götter mögen ihren Seelen gnädig sein!«, ergänzte Leonhrak mit Blick auf mich. »Egal, ob unsere Gottheiten, die des Ehernen Reiches oder der Elben. Ihren Segen können wir alle mehr als gut gebrauchen!«
Die Runde stimmte brummend zu.
»Also dann«, sagte Fjelding schweren Herzens. »Bisher haben die Riesen sich nicht in ihr Lager zurückgezogen. Ich fürchte also, dass uns heute noch mindestens eine Angriffswelle bevorsteht. Am Abend werden sie ihre Angriffe dann hoffentlich unterbrechen.«
Das hofften wir allesamt.
Doch unsere Sorgen über eine ruhige Nacht sollten bald schon wieder anderen Sorgen weichen. Erschöpft lehnte ich für einige Momente mit dem Rücken an einer hölzernen Zinne.
»Alles in Ordnung, Graf?«, fragte ein Mann, der bestimmt zehn Sommer mehr gesehen hatte als ich. Das erste Grau zeichnete sich deutlich in seinem Bart und in den Haarstränen ab, die unter seinem Helm hervorquollen.
»Danke, ja. Ich bin erschöpft.«
»Das darfst du auch sein, Herr. Du hast tapfer für uns gekämpft. Die Männer dichten bereits erste Verse über dich.«
Ich blickte entgeistert drein, unschlüssig, was ich sagen sollte.
»Das ehrt mich«, meinte ich schließlich. »Aber sag ihnen, sie sollen sich das Liederdichten für den Moment aufheben, an dem unser Fortbestehen gewiss ist!«
Ein Grinsen voller Zahnlücken huschte über das Gesicht des Mannes. Er bot mir die Hand an und ich packte zu, um mich wieder auf die Beine ziehen zu lassen. Dann drückte der Alte mir einen Streifen Dörrfleisch in die Hand.
»Eine Stärkung, Graf. Mehr kann ich dir leider nicht geben. Du hast heute schon mehr Riesen getötet als viele der großen Helden aus unseren Liedern es taten.«
»Danke«, sagte ich aufrichtig. »Aber es bereitet leider keine Freude.«
Doch unsere Sorgen waren bald schon wieder andere. Dann war die Zeit des Verschnaufens vorbei. Denn die Riesen änderten tatsächlich ihre Taktik. Die nächste Angriffswelle richtete sich zunächst gegen das Tor. Eine gewaltige Ramme wurde langsam vom Zeltlager der Riesen über die Ebene geschoben. Das Gestell, in dem ein furchterregend großer Baumstamm an Ketten frei vor- und zurückpendeln konnte, war mit groben Holzbrettern überdacht, die den Riesen darunter Schutz vor Beschuss gewährten. Wie um alles in der Welt sollten wir diesen Koloss zum Wanken bringen, bevor er das Haupttor erreichte? Wir konnten ihn nicht mit Öl überschütten und abbrennen. Die Gefahr, dass der Wall Schaden nahm, war zu groß.
Ich nahm den Helm unter den Arm und hetzte so schnell es ging die Brecher entlang in Richtung des Hauptwalls.
»Andrak«, rief ich immer wieder. »Andrak!«
Man trug mein Begehren schneller von Mund zu Mund weiter, als ich zwischen all den Männern rennen konnte. Andrak empfing mich bereits an der Stelle, an der der Brecher in den äußeren Wall überging.
»Ich brauche Brandpfeile«, hustete ich atemlos.
»Brandpfeile?«
»Ja«, nickte ich hastig und musste erneut husten. »Wir müssen das verdammte Ding in Brand setzten, bevor es das Tor erreicht. Das ist die einzige Chance! Schick deine Bogenschützen auf die Brecher hinaus!«
Andrak verstand blitzschnell und gab bereits Befehle, während ich mich erschöpft für einige kurze Augenblicke gegen eine Holzzinne lehnte.
Kurze Zeit später hatte Andrak auf den beiden Brechern, die eine Schneise zum Tor hin bildeten, mehrere Dutzend Schützen postiert. Pfeile, deren Spitzen mit in Pech getränkten Lumpen umwickelt waren, wurden reihenweise angezündet. Umstehende Männer traten mit bangen Blicken die kleinen Flammen von herabtropfendem Pech aus, bevor diese größer züngeln konnten. Alle warteten darauf, dass sich der Rammbock endlich der entsprechenden Markierung näherte.
Dann war es soweit. Andrak gab den Befehl zum Schießen. Er wurde über den gesamten Wall gerufen und etliche Male wiederholt. Von beiden Brechern aus schossen die besten Schützen der Harjenner so schnell sie konnten einen Pfeil nach dem anderen ab. Ein Regen aus Feuer ging auf den Rammbock und um ihn herum nieder. Höchstens ein Zehntel aller Pfeile traf das Ziel und das Holz war dick und feucht. Unerbittlich schoben die Riesen darunter das Gerät weiter voran. Sie hatten die letzte Markierung längst passiert und bewegten sich bald auf Höhe der beiden Brecher.
Doch das machte es den Bogenschützen leichter zu treffen. Von beiden Seiten ließen sie Pfeilhagel um Pfeilhagel aus brennendem Pech auf die Ramme herniedergehen.
Und
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