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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, fraßen sich die Pechflammen der Pfeile durch die Konstruktion der Abdeckung. Krachend gab sie nach und Bretter und Balken prasselten auf die Riesen darunter herab. Es wären keine drei Dutzend Schrittlängen mehr bis zum Tor. Ihres Schutzes beraubt verließen acht Riesen fluchtartig das Kriegsgerät und rannten zurück in ihre Reihen. Einen von ihnen konnten die Bogenschützen noch zu Fall zu bringen, während der Rammbock in der Mitte zwischen den beiden Brechern in hohen Flammen aufging. Funken stoben aus dem knackenden, feuchten Holz, während vor dem Tor eine mächtige schwarze Rauchwolke aufstieg.
    Dann war es vorbei. Vorerst. Denn es sollte nicht der letzte Angriff für heute gewesen sein. Die Riesen sammelten sich hinter ihrem Schildwall erneut. Zunächst konnte ich nicht erkennen, was sie dort taten. Doch im nächsten Moment wurde es für alle offensichtlich: Sie hoben die großen Schutzschilde an und rückten hinter ihnen vor. Die Leitern ließen sie liegen. Mir wurde mulmig zumute. Die Riesen hatten irgendeinen Plan und ich konnte ihn nicht durchschauen.
    »Beschuss!«, schrie ich so laut es ging in Andraks Richtung.
    »Beschuss!«, wiederholte Andrak.
    »Beschuss!«, hörte ich den Befehl wie ein Echo auf den anderen Brechern ebenfalls. Wieder sirrten Schwärme von Pfeilen durch die Luft, doch kaum einer der Riesen fiel ihnen zum Opfer. Ihre hocherhobenen Schutzschilde aus dickem Flechtwerk, überspannt mit Tierhäuten, hätten ebenso gut aus Stahl sein können. Nervosität breitete sich rasend schnell aus wie eine Seuche. Die Riesen hielten unaufhaltsam auf den Wall zu …
    … nein. Ihr Ziel waren eindeutig die Brecher.
    Was wollten sie hier? Die Brecher waren doch völlig uninteressant für das Durchbrechen des Walls. Dann hörte ich ein Geräusch. Ein Hämmern erklang – wieder und wieder. Hastig lehnte ich mich zwischen zwei Holzzinnen hindurch und riskierte einen Blick nach unten. Dort hatten die Riesen ihre schweren, mannshohen Äxte zur Hand genommen und schlugen auf die Fundamente der Brecher ein. Geschützt wurden sie durch ihre tragbaren Belagerungsschilde.
    Panik kroch in mir hoch, wie ein kaltes, schleimiges Tier, das nach meinem Herzen griff. Die Riesen wollten die Brecher zerstören. Und sie taten ihr Werk derart geschickt, dass wir kaum etwas dagegen zu unternehmen imstande waren.
    Was sollten wir bloß tun? Einen Ausfall wagen? Das wäre Selbstmord.
    Das Hämmern der Äxte wurde vielstimmiger, lauter, schneller. Hilflos suchte ich Leonhraks Blick weit entfernt auf dem nächsten Brecher, doch er wirkte ebenso entsetzt wie hilflos. Die Brecher bestanden aus demselben Material wie die Wallmauer. Tannenstämme, breit wie mehrere Männer, dicht an dicht gesetzt und in ihrer Mitte mit Schutt aufgefüllt. Kein menschlicher Feind hätte auch nur daran denken können, die Brecher als solche anzugreifen. Sie zu zerstören wirkte wie eine monumentale Aufgabe, die absurde Kraft erforderte – aber die Riesen waren Wesen, die absurde Kräfte besaßen. Außerdem waren sie nahezu immun gegen unseren Beschuss von oben. Was also tun?. Öl zu entflammen war auch keine Lösung. Kochendes Wasser? Vielleicht!
    Ich schnappte mir einen jungen Krieger, der direkt neben mir stand.
    »Geh!«, herrschte ich ihn unfreundlicher an, als ich beabsichtigt hatte. »Sag Andrak und Behrend, sie sollen Kessel mit Wasser zum Sieden bringen!«
    »Aber …«
    »Mach schon! Und sag es zwischendurch weiter. Wir brauchen kochendes Wasser! Viel kochendes Wasser.«
    Der Junge verschwand und ich widmete mich wieder dem panischen Nachgrübeln. Immer noch versuchten Bogenschützen mit vereinzelten gezielten Schüssen die Lücken in der Schilddeckung der Riesen zu finden. Zu selten gelang es ihnen. Ich flehte innerlich, dass es mit dem Wasser schnell ging.
    Doch das Schicksal war diesmal nicht auf meiner Seite. Keine fünf Schrittlängen von mir entfernt ging ein Ruck durch den Brecher. Das ängstliche Gemurmel der Männer verstummte. Da! Wieder ein Ruck. Dann löste sich langsam, sehr langsam einer der langen, breiten Stämme, aus denen die Außenverkleidung der Brecher gemacht war. Ich beugte mich über die Zinnen und sah wie die Riesen mit starken Händen versuchten, den angeschlagenen Stamm zu packen und hinauszuziehen.
    Es war zu spät.
    »Runter vom Brecher!«, kommandierte ich so ruhig es eben ging.
    Das panische Stimmgewirr wurde lauter. Ich zog mich an einer Zinne hoch und schrie

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