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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Leonhrak uns einen Stollen gezeigt, dessen Eingang im Schuppen einer Schmiede hinter schweren Werkzeugen versteckt war. Er war eng und schmal, sodass wir uns an vielen Stellen ducken mussten, um hindurch zu gelangen. Im schwächlichen Schein einer kleinen Laterne war Leonhrak vorangegangen. Als wir schließlich das obere Ende des Stollens erreicht hatten, hatte er die Laterne gelöscht. Niemand durfte von unserem Ausflug erfahren! Kein Feind – und zur Sicherheit auch kein Freund.
    Die Dämmerung war weit fortgeschritten und alles, was vor uns lag, war nun Grau in Grau gezeichnet. Wir waren ins Gebirge vorgedrungen. Meine Gelenke schrien vor Schmerz und Müdigkeit bei jedem Schritt, doch ich hielt es verbissen aus. Es gab keine Schonung, jetzt nicht mehr.
    Über ein Netz aus heimlichen, schmalen Pfaden, die kaum zu entdecken waren, wenn man direkt vor ihnen stand, führte Leonhrak uns nordwärts. Wir kamen nur beschwerlich voran, aber schließlich waren wir auf der Höhe des Lagers der Riesen und schlichen weiter Richtung Osten. Wenig später erreichten wir einige schmale Vorsprünge und Felsbrocken, um dahinter in Deckung zu gehen – falls uns zu dieser Zeit überhaupt jemand zwischen den Felsen zu sehen vermochte.
    Die Temperaturen hatten sich nachts soweit abgekühlt, dass mein Atem dünne Wolken bildete. Durch den Dunst betrachtete ich das Lager der Riesen. Zelte, beschienen im Licht großer Lagerfeuer, soweit das Auge reichte. Das rückwärtige Ende des Heerlagers grenzte direkt an Tjaabu. Die Hafensiedlung war leer gefegt. Nicht eine Laterne, nicht eine Fackel brannte dort. Niemand von uns konnte den Zustand des Hafens erkennen, doch ich schätzte, dass die Riesen ihn einfach außer Acht gelassen hatten. Für jedes menschliche Heer wäre die zurückgelassene Hafensiedlung ein willkommenes Geschenk gewesen. Doch ein Riesenheer konnte in einer kleinen Hafensiedlung wie Tjaabu kein Quartier beziehen. Und so erstreckte sich die Stadt aus den eigenartig groben und teils unförmigen Zelten bis zum Horizont. Das größte unter ihnen stand nicht weit – und schien doch so unendlich weit entfernt. In menschlichen Maßstäben handelte es sich um einen Zeltpalast, errichtet aus überspannten schweren Holzstangen. Ein Kurzbogen hätte gereicht, um es von hier oben zu treffen. Aber dorthin zu gelangen, mitten durch eine Horde streitsüchtiger Riesen, schien beinahe unmöglich.
    Ich sah, wie die Hoffnung in Leonhraks Blick schwand und wie er sich dennoch zusammenriss.
    »Dorthin also?«, raunte er. Es war weniger eine Frage als eine Feststellung.
    »Sag du es mir!«, gab ich zurück. Wenn Leonhrak sagte, dass König Ruhman wie ein menschlicher Feldheer im größten aller Zelte Wohnstatt genommen hatte, dann musste ich mich diesem Urteil fügen.
    Lia begann leise einige Töne zu intonieren.
    »Still!«, zischte ich. Das war so typisch für meine elbische Freundin. Vom Zauber eines Anblicks so sehr eingenommen, dass sie ein romantisches Liedchen summen musste.
    »Mein lieber Graf und Freund Deckard«, meinte sie lächelnd, belehrend, jedoch ohne mich anzusehen, den Blick weiterhin auf das Riesenlager unter uns gerichtet. »Wie willst du unbemerkt dort hindurchschleichen? Selbst wenn du keine klappernde Rüstung mehr trägst – die Schatten verstecken dich niemals gut genug vor den Blicken der Riesen.«
    Leonhrak schaltete sich raunend ein: »Aber wir müssen es trotzdem vers-«
    Sanft legte Lia ihm einen Finger auf den Mund.
    »Ich habe dich sehr gern, Prinz«, flüsterte sie sachte. »Aber deine Welt und dein Volk sind verloren, wenn uns nicht gelingt, was wir beabsichtigen. Schon der nächste Tag könnte euer letzter sein. Darum lass mich ein wenig Magie gebrauchen, wie wir Elben es zu tun vermögen. Ich kann keine Heerscharen unsichtbar machen, aber ein richtiges Lied zur richtigen Zeit, vermag vielleicht die Schatten etwas milder zu stimmen. Derjenige, der auch nur für eine kurze Dauer die Schatten auf seiner Seite hat, der hat mächtige Verbündete.«
    Elbenmagie! Ich staunte nicht schlecht. Bei dem Wenigen, das ich über Magie wusste, wusste ich doch immerhin, dass die Musik und die Magie der Elben in einem engen Verhältnis zueinander standen. Wahrscheinlich würde ich nie ganz begreifen, wie diese Dinge funktionierten, aber das war wohl auch nicht meine Aufgabe im Leben.
    Lia hauchte ihren Gesang in der Sprache der Elben mit klarer, glockenheller Stimme in die Nacht hinein.
    Da war es wieder, diese bezauberte

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