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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Schälchen mit Dörrobst auf, das ich auf den Knien hatte, ließ meinen Kanten Brot hineinfallen, stellte es auf den Boden dicht neben die Reling und eilte über das gesamte Schiff an den kräftig rudernden Männern vorbei bis zum Bug.
    Dort stand Lia mit hellem Glanz in den Augen. Wir warteten noch ein gutes Drittel einer Stunde, während derer auch Leonhrak und Lemander zu uns stießen, dann sahen auch wir es: Ein schmaler Küstenstreifen glitzerte im Licht der Spätsommersonne, die hoch über der See stand. Sanfte Erhebungen zeichneten sich hier und dort ab, doch noch war es kaum mehr, als ein grauer Streifen am Horizont.
    So lag das Land also vor uns: Quainmar, Lias Heimat, das Ziel von beinahe sechs Wochen Reise auf der Skrara. Sechs Wochen, die im Ehernen Reich Narben hinterlassen hatten. Und mein Herz fühlte sich an, als hätte es jemand in Ketten gelegt.
    Bleischwer lasteten die Ereignisse der vergangen anderthalb Monate auf mir. Auch oder vor allem, weil ich sie lediglich in Briefform übermittelt bekam – und selbst das viel zu selten. Zwischenzeitlich hatte ich meinem Haushofmeister Dirnt geschrieben, um ihn darüber in Kenntnis zu setzen, dass ich am Leben war. Doch ich hatte mich bewusst kryptisch und mysteriös gegeben. Ich sei an anderer Stelle mit der Lösung des Konflikts im Reich beschäftigt – was ja in gewisser Weise auch der Wahrheit entsprach.
    Die nördlichen Fürstentümer des Ehernen Reiches hatten sich in eine lange Schlachtenfehde gestürzt. Alen Wetmann gab sich offen als Verteidiger des Reiches und bezeichnete Gramenfeld und Gamar als Schurken-Fürstentümer. Nach einigen blutigen Aufeinandertreffen von Truppen hatte Königin Ellyn von Anselieth dem Fürstentum Gramenfeld offiziell untersagt, in diesem Konflikt Partei zu ergreifen. Dabei hatte sie die Unterstützung von Dinster und Lilienbach, sowie den Orden der steinernen Hand auf ihrer Seite. Soweit die brüchigen Verhältnisse im Reich es zuließen, war dies eine vorübergehend wirkungsvolle Maßnahme. Denn Gramenfeld begehrte zwar an der Seite Gamars gegen das Seenland und vor allem gegen Falkenberg auf, dessen Fürst ja der vermeintliche Mörder seines Thronerbens war. Doch konnte es sich diese mächtigen Gegner nicht allein leisten. Die vereinigten Fürstentümer und zusätzlich zu ihnen auch noch der Orden, waren zu stark, selbst für die militärisch gut aufgestellten Länder Gamar oder Gramenfeld. Daher untersagte Gramenfeld jegliche militärische Aktion auf seinem Grund und Boden, um die Bevölkerung nicht unnötig leiden zu lassen. Der Sommer war zu wichtig. Vorräte für die harten Winter im Norden mussten angelegt werden. Und trotz allen Schmerzes über seinen ermordeten Sohn Delan und der verzweifelten Suche nach einem Schuldigen, hatte Markgraf Pelikor von Gramenfeld nicht die Absicht, gebrandschatzte und geplünderte Dörfer sowie niedergetrampelte und verkohlte Felder in seinem Fürstentum zuzulassen. So waren die Streithähne Serion von Gamar und Alen Wetmann vorerst auch räumlich getrennt. Doch der Herr von Gamar schäumte vor Wut in seiner Burg auf den Klippen von Tjerke. Es war die Wut über einen nicht vorhandenen Verrat. Es war die Wut über Alen Wetmann. Denn der drohende Zusammenprall mit dem Seenland nötigte Serion, einen großen Teil seiner Truppen an der Ostgrenze Gamars zusammenzuziehen. Und am meisten schäumte er über seine Tochter, die tatsächlich mehrere Hundert Ordenskrieger entsandt hatte, um in Zusammenarbeit mit der bescheidenen Menge meiner Soldaten die Nordgrenze Falkenbergs zu sichern. Mein Haushofmeister Dirnt machte dem Vernehmen nach gute Arbeit. So sah Falkenberg sich zwar weiter bedroht, jedoch nicht in aussichtsloser Lage, da die Nordgrenze in den Bergen lag und verhältnismäßig einfach zu sichern war. Ein Trost hingegen war das für mich kaum. Dieser Krieg war unfassbar sinnlos. Er kostete Leben und erschütterte die im Reich verbliebenen Fürstentümer in seinen Grundfesten. Und selbst, wenn das Eherne Reich als Ganzes aus dieser Krise hervorgehen würde, würde es doch niemals so werden wie zuvor.
    Ich wusste nicht, was mich erwarten würde, wenn ich ins Reich zurückkehrte. Ich wusste ja noch nicht einmal, ob ich einst zurückkehren würde. Doch nachdem die Nordleute und die Riesen erlöst waren, war ich zuversichtlicher, dass dieses Abenteuer einen anderen Ausgang nehmen konnte, als lange gedacht – auch wenn es bis dahin meine Seele und mein Herz zerfraß. Noch hatte

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