Dorn: Roman (German Edition)
meine Grenze eine lange Zeit überlisten konnte, das hatte die Schlacht gegen die Riesen gezeigt. Doch das hier war anders. Das hier forderte alles von mir, forderte absolute Konzentration von jeder Faser meines Körpers. Unter diesen Umständen konnte ich mir keinen Vorteil dadurch verschaffen, mein Blut in Wallung zu bringen. Ich dachte an meine Familie, an Esja, an Hermelink. An all die Toten, die mir lieb und teuer waren und die den Weg hinter Schekich pflasterten. Doch jeden Vorteil kann man leicht ins Gegenteil verkehren.
Im Zuge meiner nahenden vollkommenen Erschöpfung, war meine einzige Chance, mich nicht auskontern zu lassen. Ich nahm das leichte Erlenfang allein in die rechte Hand. Mit der Linken zog ich den Dolch. Beide Klingenspitzen wie eine Schere auf Schekich gerichtet, erwartete ich seinen Angriff. Hinter mir wehte scharf der Wind vom Meer herein.
Und dann ging er auf mich los. Nein, er fiel förmlich über mich her. Die Geschwindigkeit und die Brutalität seiner Schläge konnten nur eines bedeuten: Jetzt und hier würde es enden. Einmal und für immer.
Rasante Schlagfolgen prasselten auf mich nieder. Schekich verwandelte sich in den wirbelnden Tod. Ich brachte jeden Funken Konzentration auf, den ich hatte. Ja, Schekich hatte sechzehn Jahre mehr Erfahrung, wahrscheinlich sogar mehr. Und all die Zeit über war er ein brutaler Mörder gewesen, kein Markgraf.
Ich versuchte einen seiner Schläge zu Kontern, indem ich ihn mit dem Dolch abfing und nach Schekichs Kopf schlug. Eine abgeschnittene Haarsträne fiel zu Boden, doch mein Gegenüber ließ sich nicht beirren. Schnell und schneller gingen die Schläge auf mich nieder.
Und schließlich brach meine Verteidigung. Schneller als ich es wahrnehmen konnte, hatte ich einen Schnitt an der linken Schulter. Ich merkte bloß die Schärfe der Klinge, die durch meine Haut schnitt, nicht so sehr den Schmerz. Aber die Erkenntnis und die Verzweiflung darüber, dass meine Deckung schwand, übermannten mich mit aller Macht. Wieder ließ Schekich eine Riposte ins Leere laufen, drehte sich und wischte mit seinem Schwert nach oben. Trotz meines ungelenken Sprunges zurück traf er mich mit der Spitze im Gesicht. Wieder spürte ich die Klinge heiß durch mein Fleisch schneiden, schlug sein Schwert zur Seite und machte den hilflosen Versuch, mich zum Verschnaufen einige wenige Schritte rückwärts in Sicherheit zu bringen. Doch meine Mühe war vergebens. Blut sickerte mir ins Auge, brannte und verschleierte mir die Sicht.
Schekich trieb mich vor sich her wie man ein Tier mit dem Stock trieb. Irgendwann würde der lange Palastflügel zu Ende sein, abgebrochen wie ein morscher Steg. Irgendwann wäre hinter mir bloß noch das Meer.
Ich versuchte eine schnelle Drehung, doch Schekich duckte sich weg und hieb seine Klinge mit Gewalt in den Boden vor meinen Füßen. Glassplitter stoben auf und ich musste die Linke heben, um meine Augen zu schützen.
Darauf hatte er gewartet. Ich spürte den Ruck, als die Spitze seiner Klinge in meinen Unterarm, knapp über dem Handgelenk eindrang. Mit einem Schmerzensschrei ließ ich den Dolch fallen, direkt in den frischen Spalt im abgenutzten Glasboden.
Endlich ließ Schekich von mir ab und ich stolperte Rückwärts, die Linke angezogen, das Schwert in der Rechten mit der Spitze vor mir ausgestreckt. Wie ein Anfänger, ohne jede Deckung, nur noch darauf bedacht, meinen Feind auf Distanz zu halten. Blut lief mir warm über das Gesicht und den Arm und tropfte vor mir auf den Boden, während ich schrittweise zurückwich. Den linken Arm hielt ich schützend angewinkelt. Ich fühlte mich wie ein Tier, das mit Pfeilen gespickt, angeschossen in die Enge getrieben war.
»Damit wäre es entschieden. Das Ende aller fechterischen Eleganz«, resümierte Schekich seine Überlegenheit. »Und ich dachte um ein Haar, ich hätte nach all den Jahren einen ebenbürtigen Gegner gefunden. Schade. Gibt es noch etwas, das ich der Nachwelt mitteilen soll?«
Hinter mir rauschte das Meer. So nah … so nah.
Die Schmerzen in meinem Arm waren widerlich und ließen mich beinahe stumm werden vor Qual, trotzdem wischte ich mir das Blut aus dem Sichtfeld.
»Schert es dich nicht, was mit dem Ehernen Reich geschieht? Schert es dich überhaupt nicht, dass dein Auftraggeber das Leben vieler Hunderttausend zerstören will?«
Schekich zuckte wieder die Achseln. »Und wenn es so ist. Irgendetwas wird dem Reich folgen und es wird auf unserem riesigen Kontinent irgendwo
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