Dorn: Roman (German Edition)
immer irgendjemanden geben, der mich bezahlt.«
»Dann sehen wir uns auf der sonnenlosen Straße«, nickte ich heiser.
»So ist es«, bestätigte Schekich und ging auf mich los. Ein letztes Mal.
Müde parierte ich einen Schlag. Meine Gedanken waren bei denen, die mir etwas bedeuteten.
Parade – Ich dachte an die Menschen im Reich – Parade – Ich dache an Falkenberg – Parade – Ich dachte an Lia – Parade – Ich dachte an Ellyn … die tapfere junge Königin, die sich gegen ihren eigenen Vater stellte.
Ein letzter Atemzug, eine allerletzte Verzweiflungstat!
Ich wehrte einen der lässigen Schläge zur Seite ab und stürzte mich gleichzeitig mit all meiner verbliebenen Kraft auf meinen Feind. Schekich war ob der stümperhaften Bewegung überrascht, als ich ihn mit meiner verletzten linken Seite traf und zu Boden riss. Es würde mein Ende sein.
Doch als wir fielen hörte ich ein scharfes, brechendes Geräusch und ein Stöhnen.
Der entscheidende Stich in meinen Körper blieb aus. Stattdessen hob und senkte sich Schekichs Brustkorb hektisch. Ich blickte auf und sah die Klinge meines Dolches, die kaum eine Handbreit vor mir aus Schekichs Torso ragte. Als ich ihn fallenließ hatte er sich in der Bodenspalte verkantet.
Ich nahm mich zusammen und rollte mich von Schekich, beruhigte meinen Atem, rappelte mich hoch.
Da lag er. Geschlagen durch meine allerletzte Verzweiflung. Der steckengebliebene Dolch hatte seine rechte Brusthälfte durchbohrt und ihm alle Kraft geraubt. Sein Atem ging rasselnd und er starrte mich mit einem Blick an, den ich nicht einordnen konnte. Hass lag keiner darin. Vielleicht so etwas wie Erlösung?
Mit dem Stiefel schob ich sein Schwert außer Reichweite. Doch ich musste nichts mehr befürchten.
»Da … habe ich mich wohl verschätzt«, stöhnte Schekich, es klang verzerrt durch das Blut, mit dem sich seine Lungen füllten. Er versuchte sogar so etwas wie ein Lächeln auf die Lippen zu bekommen. »Erfahrung und Skrupellosigkeit … kann … wohl doch nicht alles sein.«
Mit wackeligen Knien richtete ich Erlenfangs Spitze auf ihn, obwohl ich wusste, dass es vorbei war.
»Wo ist Lia?«, wollte ich wissen. Es war das Einzige, was zählte.
Schekich hustete.
»Es ist schlimm, wenn die Kraft dich verlässt«, meinte er, als sei es ein gedankenverlorenes Spiel. »Den Schmerz kann man mit Kräutern betäuben … aber die Kraft … sie kommt nicht zurück.«
Wieder hustete er. Schmerzmittel, ja. Lemander hatte davon erzählt.
»Wo ist Lia?«, schrie ich.
Als er seinen Hustenanfall unter Kontrolle hatte, lächelte er wieder dünn. »Ich verrate es dir. Versprochen … ist versprochen. Nur bitte … tu mir einen … Gefallen.«
Sein Blick bekam etwas Flehendes.
»Welchen Gefallen könnte ich dir reinen Herzens erfüllen?«, fragte ich kraftlos. »Nach allem, was du mir angetan hast?«
Das flehende Lächeln auf seinem Gesicht bekam einen wissenden Zug. »Du bist mir ähnlicher, als … du es selbst wahrhaben willst. Du bist ebenso besessen von deinen Idealen wie ich von meinen – von den ehrbaren, wie von den fragwürdigen. Jeder von uns ist süchtig nach seinem Begriff von … Loyalität.«
Ich senkte kraftlos mein Haupt. Krampfhaft versuchte ich, nicht auf seine Worte zu achten, auch wenn ich wusste, das auf eine gewisse Weise Wahrheit in ihnen lag.
»Wo ist Lia?«, beharrte ich.
»Im höchsten … Turm … den man noch begehen kann.«
Ich wandte mich um tat einen Schritt. Dann hielt ich inne.
»Wie lautet der Gefallen?«, zischte ich, wütend über mein weiches Herz. Wieder musste ich mir Blut vom Gesicht wischen. Noch war mein Körper taub von der Hitze des Gefechts, die Schmerzen waren schlimm, aber sie warfen mich noch nicht um – ich mochte nicht an jene Schmerzen denken, die mir erst bevorstanden, wenn ich zur Ruhe kam.
»Wirf mich ins Meer!«, sagte Schekich mit bebender Stimme. »Lass mich … nicht hier sterben! Lass das Meer … meinen Körper zurücktreiben in den tiefen Süden … oder … wo … auch immer die Götter es beschließen.«
Ich verharrte … versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Wie würde ich sterben wollen, wenn ich die Wahl hätte? Was würde derjenige für mich tun, der mich erstochen oder vergiftet hatte? Was würden diejenigen mit mir tun, die mich bestatten würden? Wahrscheinlich wäre ich erleichtert, wenn irgendjemand nur einen Hauch von Mitleid zeigen würde.
Trotz meiner Schmerzen trat ich hinter
Weitere Kostenlose Bücher