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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Reich der Menschen zu retten.«
    Ich blieb einige Augenblicke lang sprachlos. Dann, als mir die Tragweite ihrer Worte vollends klar geworden war, fuhr ich entsetzt hoch und entgegnete: »Bitte tu das nicht. Ich habe meine Versprechen gehalten – wenn auch über Umwege und mithilfe von Leonhrak und seinen Leuten. Aber wenn du mit mir gehst, dann wartet nur Verderben auf dich.«
    »Wer weiß das schon?«
    »Lia! Ich gehe, um deinen Bruder zu bekämpfen. Es ist das Einzige, was mir noch zu tun bleibt. Ich kann mich umdrehen und davonlaufen, mein Glück im tiefen Süden suchen oder jenseits der Verlorenen Lande. Oder ich ergebe mich der einzigen Alternative: Ich kehre zurück und setze alles daran, Linus zu vernichten – ihn und seinen verderbenden Einfluss auf das Reich.«
    Ich wusste nicht, welche Festigkeit in meinem Blick lag, doch er zwang selbst die nun so selbstsichere Elbenprinzessin, ihm auszuweichen.
    »Ich weiß, was du im Begriff bist zu tun, Deckard«, meinte sie. Es lag wenig Stolz, sondern vielmehr Traurigkeit in ihren Worten. »Und ich werde mit dir kommen. Du hast ein Versprechen gehalten. Mehr noch, du hast gegen Alpträume und gegen dein eigenes Schicksal gekämpft, um mich herzubringen. Und außerdem …«
    Jetzt sah sie wieder her und ich konnte in ihrem Gesicht lesen, dass es nichts auf der Welt gab, das sie umstimmen konnte.
    »… ist es richtig so. Das Sterben der Unschuldigen, nur weil mein Bruder seinen Hass nicht zu kontrollieren vermag … Es muss aufhören! Und das ist schließlich auch der Grund, warum du ins Reich zurückkehren willst.«
    Schweigen breitete sich aus. Der Wind blies in einer kurzen Böe über die Stadt, während ich einige unruhige Schritte machte. Einige Blätter fielen von den Bäumen des Gartens um uns herum und das Licht des neuen Morgens ließ sie strahlen wie Flocken aus Gold. Die Luft lastete so bedeutungsschwer auf uns, als wolle sie uns erdrücken.
    Lia kam zu mir herüber und lehnte den Kopf gegen meine Schulter.
    »Und wenn dies das Ende ist«, hauchte sie. »Dann ist es richtig so.«
    Ich schloss die Arme um meine Freundin. Trotz des warmen Klimas wurde mir kalt bei dem Gedanken an die Grauen, die sich viele Hundert Meilen nordwestlich ereignen mussten.
    »Was ist mit Leonhrak?«, wollte ich wissen.
    Lia nahm den Kopf hoch und sah mich fragend an.
    »Er liebt dich«, erklärte ich es ihr so schlicht und einfach es eben war. Doch das Elbenmädchen biss sich nur auf die Lippe und sah an mir vorbei. »Ja.«
    Den erhabenen Palast Finduil zu betreten, war als betrete man einen fein gesponnenen Kokon aus purem Licht. Die weitläufige Halle war aus denselben dünnen Streben errichtet, wie auch Mavennas Haus, doch natürlich waren es ungleich mehr. Überall fanden sich prachtvolle Schnitzereien – vornehmlich die von Pflanzen. Es duftete frisch und die Luft war klar, wie sie es oft über stillen Bergseen war.
    Niemand begegnete mir, nachdem Lia mich an den Wachen vorbei hineingeschickt hatte. Vorsichtig, beinahe andächtig, tapste ich die Stufen aus hellem Marmor hinauf, um die große Halle des Königspaares vor mir ausgebreitet zu sehen – lichtdurchflutet und von überragender Schönheit. Doch erstaunlich weit und erstaunlich leer. Viele Dutzend Schrittlängen, am gegenüberliegenden Ende der Halle saß ein Paar von unbeschreiblicher Anmut – und doch beinahe unbeweglich wie Statuen.
    »Willkommen, Deckard aus dem Hause von Falkenberg«, hörte ich eine sonore Männerstimme. Es war als spräche jemand direkt neben mir. Erschrocken drehte ich mich um, doch begriff ich schnell, dass es die Magie der Elben war, die die Stimme den Raum überbrücken ließ. Ehrfurchtsvoll verbeugte ich mich, bevor ich dazu ansetzte, den Raum zwischen mir und dem Königspaar zu überbrücken. Noch während ich ging, sprach Innimdal weiter: »Du hast weite Wege auf dich genommen. Nicht etwa, weil du darauf erpicht warst, sondern weil du ein gutes Herz hast.«
    Ich erreichte die beiden Throne, die aus zu Stein erstarrten Sonnenstrahlen zu bestehen schienen und verbeugte mich abermals.
    Das Königspaar der Elben erhob sich – und diesmal hörte ich sie von Angesicht zu Angesicht.
    »Wir sind dir zu tiefstem Dank verpflichtet, Deckard von Falkenberg. Du hast nicht nur unsere Tochter gerettet, sondern auch das Schicksal unseres Volkes.«
    Sie waren beide ausgesprochen schöne Wesen. Schlank, mit langem glänzenden Haar, das ihnen bis auf die Brust fiel. Das der Königin war golden

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