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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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hast.«
    »Hm«, hatte ich schließlich genickt. »Sagen wir einfach, das hat seinen Grund.«
    Dabei hatte ich es vorerst bewenden lassen. Lemander musste nicht alles über meine Vergangenheit wissen – auch, wenn er durch die Freundschaft mit meinem Vater sicherlich bereits vieles wusste.
    Die letzte Etappe der Reise war erheblich entspannter für die meisten Beteiligten – sofern sie nicht seekrank wurden. Vor allem zwei meiner Gardisten und der junge Wobert von Loh waren alles andere als seefest. Man musste sie zur Nahrungsaufnahme förmlich zwingen.
    Aber nach zwei Tagen hatten auch sie sich daran gewöhnt. Dafür sahen wir am frühen Morgen des vierten Tages bereits das Leuchtfeuer, das auf dem Dach des königlichen Palastes stand.
    Während meine Männer und Frauen in Jubel ausbrachen und sich gegenseitig zur bald erfolgreich beendeten Reise beglückwünschten, wurde mir stattdessen flau im Magen. Ich hatte auf unserem Weg die Gedanken eher bei der Sicherheit meiner Leute gehabt und über die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der Verfolgung durch Schekich und Lias Bitte um Hilfe nachgedacht. Jetzt, wo wir uns unserem Reiseziel schnell und unerbittlich näherten, kamen meine Ängste zurück und kribbelten unter der Haut.
    Es roch nach Salz.

Kapitel 4
    Von der Kunst, keine Entscheidung zu fällen
    Auch die Elben bauten viele ihrer Häuser aus Stein. Doch niemals waren es auch nur annähernd so viele, wie hier in der Hauptstadt des Ehernen Reiches. Zu Recht bekam Lia den Mund nicht mehr zu vor Staunen. Doch war sie damit in guter Gesellschaft. Die wenigsten meiner Gardisten hatten je diese Stadt von beeindruckender Gewaltigkeit gesehen. Wie auch? Schließlich war ich selbst zwölf Jahre nicht hier gewesen und Hermelink hatte beinahe ausschließlich Soldaten und Soldatinnen mitgenommen, die etwa in meinem Alter waren. Vor zwölf Jahren, waren sie also noch nicht erfahren genug gewesen, um sie ruhigen Gewissens mitzunehmen. Also staunte beinahe der gesamte Tross ob der Erhabenheit, die die riesige Stadt von der Ferne aus bot.
    Zusammen mit denen, die wussten, dass der Eindruck gerne täuschte, war ich mit meiner Reaktion in der absoluten Minderheit. Ich blickte beinahe ein wenig angewidert auf das Schauspiel, das sich vor uns auftat. Ein unendliches Häusermeer wartete hinter der Hafenbucht, die im Delta der Langen Ronar lag, dem längsten und breitesten Fluss im Reich. Passend dazu hatte die Sonne ihren Auftritt. Hell und gleißend brach sie durch die Wolkendecke und ließ die Stadt erstrahlen, deren Häuser und Bauten beinahe ausschließlich aus dem hellen Sandstein der Gegend errichtet waren.
    Rechts von uns, weniger als eine halbe Meile entfernt passierten wir die Klippen auf denen der königliche Palast thronte. Ein Monstrum aus hellem Stein, das eine eigene Stadt für sich hätte beherbergen können. Die Errichtung hatte einst unter der Herrschaft des ersten Königs Aan begonnen, war jedoch erst nach seinem Tod vollendet worden. Jetzt saß dort oben, viele Schrittlängen über dem Meeresspiegel eine prunkvolle Festungsanlage. In ihrer Mitte erhob sich ein massiger Turm, dessen Umfang sich kaum erahnen ließ. Er beinhaltete die Ratskammer, und im Erdgeschoss die Aanshalle, dem ersten König zu Ehren benannt. Dort konnten riesige Bankette abgehalten werden – zur Bestattung von König Hroth würde es sicherlich eines geben. Außerdem diente sie als Thronsaal.
    Flankiert wurde dieser brachiale Zentralbau von vier schwindelerregend hohen, jedoch ungleich schlankeren Türmen. Einer in jeder Himmelsrichtung. Durch Brücken waren sie mit dem Hauptturm verbunden. Hier war alles Mögliche untergebracht. Über Schatzkammern und die Arbeits- und Wohnstätten wichtiger Beamter, bis hin zu den Zimmern für hochrangige Gäste oder Diplomaten.
    Meine Leute konnten sich gar nicht sattsehen an der Größe des Palastes. Langsam liefen wir in den großen Handelshafen ein – und erstmals korrigierte sich der erste Eindruck dezent.
    Die Stadt dünstete an der Flussmündung den Schweiß und vor allem den Unrat von fünfzig- bis sechzigtausend Menschen aus. So genau wusste es niemand. Denn während nur ein kleiner Teil sich offiziell als Bürger Anselieths betrachten durfte, waren die meisten Bewohner der Stadt einfache Handwerker, Dockarbeiter, Straßenfeger, Latrinenreiniger, verkauften billige Speisen (die nicht selten ihre Haltbarkeit bereits überschritten hatten), bestahlen andere Leute in der Menge, brüllten,

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