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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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eine Ecke. Gleichzeitig ohrfeigte Amondo mich, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen.
    »Geh!«, befahl er.
    Ich machte keine Anstalten, von Schekich abzulassen.
    »Geh!«, schrie er mich an. »Niemand hat etwas davon, wenn du hier draufgehst!«
    »Aber …«
    Amondo zerrte mich grob zum Tisch und zeigte auf die Öffnung im Boden. Ich sah ihn verdattert an.
    »Lemander weiß bescheid!«, sagte er. Dann hob er sein eigenes Schwert an, denn sowohl Schekich hatte taumelnd wieder auf die Beine gefunden, als auch Serion, der wieder seine Klinge in der Hand hielt. Während Linus vor uns die Ordenswachen niedermachte, stieß Amondo mich vorwärts.
    Ich trat ins Leere, stolperte und fiel in die Dunkelheit.
    Ich schlitterte unaufhaltsam eine Rampe hinab. Sie war aus Stein und sehr, sehr glatt. Es gab keine Möglichkeit zu bremsen, geschweige denn nach oben zu klettern. Ich konnte nicht einschätzen, wie lange die Rutschpartie dauerte, doch nach dem Rausch des Kampfes kam es mir wie eine Ewigkeit vor.
    Die Bilder frischer Erinnerungen erschienen vor meinem inneren Auge in ungeordneter, loser Reihenfolge:
    Schekich, der Hermelink wegwarf wie eine zu große Puppe. Linus, dem sein Triumphlächeln auf den Lippen lag. Delan, wie er sich im Todeskampf wand, aufgrund von Verletzungen, die ihm niemand von uns zugefügt hatte. Serion, der mir mit dem Schwert drohte. Schekich, dieser Bastard von einem Häscher. Hermelink, wie das Licht in seinen Augen erlosch. Hermelink, immer wieder Hermelink.
    Ich schrie meine Wut und Verzweiflung hinaus. Sie schmerzten, brannten in meiner Brust wie Essig auf einer Wunde.
    Dann bremste sich meine Fahrt ab, kam zum stehen.
    Ich hörte von irgendwoher Lemanders Stimme, wie er einige Worte murmelte. Auf einmal entflammte ein Dutzend Fackeln entlang eines Ganges. Im Fackelschein sah ich den Alten auch endlich. Er kam auf mich zugeeilt, zog mich auf die Beine.
    »Komm schon!«, drängte er. All seine fröhliche Leichtigkeit war von ihm gewichen. Ich folgte ihm ein paar Schrittlängen in den Gang hinein. Dort stand Lia, schlotterte am ganzen Körper, als ob sie nackt im tiefsten Schnee des Winters stünde.
    Lemander kehrte zum Ende der Rampe zurück, die – wie ich nun erkennen konnte – recht kunstvoll verkachelt war.
    »Hier muss es doch irgendwo sein«, knurrte er.
    Er hantierte in einer Nische des Ganges herum.
    »Ah«, machte er.
    Dann folgten ein Blitz und ein tiefer, grollender Knall. Lia und ich wurden von dem sich entladenden Druck umgeworfen. Die Fackeln in unserer Nähe erloschen, Unmengen von Staub wirbelten auf. Es krachte und polterte.
    Aus der Staubwolke kam Lemander auf uns zu und zog uns erneut auf die Beine. Hinter ihm war das untere Ende der Rampe eingestürzt.
    »Das dürfte eine Weile halten«, hustete er.
    »Wo sind wir?«, fragte Lia so ängstlich wie neugierig.
    »Wenn mich nicht alles täuscht, ist dies ist ein alter Fluchttunnel«, grummelte Lemander eine Erklärung, während er uns vorwärts scheuchte. Wie betäubt bestaunte ich die Wände und die Decke. Der Gang, in dem wir uns befanden war in den nackten Fels gehauen. Ja, sehr wahrscheinlich handelte es sich um einen geheimen Tunnel, der zu Fluchtzwecken konstruiert war. Mein Verstand taumelte, klammerte sich an Belanglosigkeiten fest. Ich sah zurück.
    Die Rampe hinter uns war tatsächlich verschwunden. Geröll versperrte nun den Weg dorthin.
    »Amondo hatte keine Zeit, mich genau zu instruieren«, sagte Lemander. »Er sprach von dem Mechanismus, der das untere Ende der Rampe sprengen würde. Das verschafft uns etwas Zeit. Und ich weiß nicht, wie viel wir davon noch haben. Das kommt drauf an, wie lange Amondo und seine zwei Wachen dort oben gegen den finsteren Elb und seine Schergen bestehen können.«
    Ich wollte nicht darüber nachdenken, dass diese Augenblicke wahrscheinlich auch für Amondo Lakarr die letzten sein könnten. Der gute Großmeister des Ordens, der mich so kompetent hier empfangen hatte und sich so loyal zum Thron zeigte. Er hatte ebenfalls nur das Beste für das Eherne Reich gewollt.
    »Aber er hat mir noch verraten, wohin uns dieser Tunnel führt.«
    »Ja?«
    »Glücklicherweise zur einzigen Person, die uns jetzt vielleicht noch ihre Unterstützung zukommen lässt«, sagte Lemander entschlossen und schob uns weiter die Fackeln entlang.
    Glücklicherweise? , schoss es mir durch den Kopf. Ich war noch nicht wieder im Vollbesitz meines geistigen Urteilsvermögens und die tatsächliche Tragik würde mich erst

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