Dorn: Roman (German Edition)
Lemander einen Arm um sie legte.
»Lia«, begrüßte Linus sie mit boshaftem Lächeln.
Hinter ihm betrat noch eine weitere Person den Raum. Größtenteils in gräulich dunkle Ledersachen gekleidet, nahm auch dieser Mann seine Kapuze vom Kopf und zum ersten Mal sah ich sein Gesicht bei Tageslicht. Ein säuberlich geschnittener Bart, eine leicht bräunliche Hautfarbe und seine dichten, schwarzen Locken. Dunkle Augen starrten mich bohrend an.
Schekich ! Ein weiterer Schrecken durchfuhr mich bis ins Mark …
… und als ich die Süffisanz in Linus’ Stimme hörte, war mir mit einem Schlag alles klar.
»Das sieht mir wohl nach einem handfesten Verrat aus!«, resümierte Linus mit sonorer Stimme, was er vor sich im königlichen Arbeitszimmer sah. Die Zufriedenheit auf seinem Gesicht, stellte an Dreistigkeit alles bisher Dagewesene in den Schatten. »Der Erbe des Hohen Hauses von Gramenfeld erstochen auf dem Boden. Der Nicht-König und der Großmeister des Ordens blutbesudelt. Und sogar das Messer liegt noch dort.«
Er zeigte beiläufig auf Amondos Dolch, mit dem er Delans Kleidung zerschnitten hatte. Dann traf sein Blick denjenigen Lias und der zeigte mit seinem langen Zeigefinger auf sie: »Und du hast etwas, das mir gehört.«
Serions Schnauben übertönte Lias zitternde Antwort.
»Deckard, Markgraf von Falkenberg«, dröhnte er. »Hiermit stelle ich dich und deine Gefolgsleute unter Arrest. Aufgrund des Verdachts, eine Verschwörung gebildet zu haben, um den Thron des Ehernen Reiches zu besetzen. Und aufgrund des Verdachts, im Kreise dieser Verschwörung Delan von Gramenfeld ermordet zu haben.«
Er zog sein Schwert, eine Klinge namens Briskan. Seine Wachen richteten die Speere auf uns. Langsam und genüsslich ließ auch Schekich seine Klinge aus der Scheide gleiten.
»Das kann nicht dein Ernst sein, Serion«, rief ich erschüttert. »Du kannst nicht ernsthaft glauben, dass ich den Thron will.«
»Unsinn, Junge. Du warst schon immer klüger als alle andern Kandidaten zusammen. Mit Ausnahme meiner Tochter vielleicht.«
Die Erwähnung von Ellyn schmerzte – ebenso wie die bittere Erkenntnis, dass Serion mir sogar Anerkennung zollte. Wenn auch auf völlig absurde Weise.
»Serion!«, beschwor ich ihn. »Das ist grotesk! Steckt die Waffen weg! Wir können diese ganze Sache gemeinsam aufklären.«
Hermelink und Amondo zogen ebenfalls ihre Schwerter und in meinem Rücken hörte ich, wie sich auch Lemander mit einer der Zierwaffen ausstattete, die an der Wand hingen.
Die Ordensleute standen unschlüssig im Raum. Das Bild, das wir abgaben, musste eindeutig aussehen: Delan von Gramenfeld lag erstochen in seinem Blut, zwei Männer waren blutverschmiert und eine mögliche Tatwaffe lag neben dem Toten. Auf der anderen Seite waren Amondo und ich diejenigen Personen, denen sie absolute Treue geschworen hatten, notfalls bis in den Tod.
»Wir werden das gemeinsam aufklären«, meinte Serion völlig ernst. »Wenn du in einer Zelle im Kerker sitzt.«
In seinen Augen lag keine Vorfreude, das Haus von Falkenberg endlich, endlich in die Knie gezwungen zu haben. Es hatte eher etwas von lästiger Pflichterfüllung. Beinahe schien es ihm sogar ein wenig leidzutun.
»Du wirst hintergangen, Serion. Wir alle werden hintergangen.«
Serion machte mit der linken Hand eine Bewegung, als wolle er meine Worte beiseite wischen.
»Zum letzten Mal, Deckard. Zwing mich nicht dazu!«
Es klang beinahe ein wenig flehend, auch wenn ich nicht einen Augenblick daran zweifelte, dass Serion von Gamar mich ohne zu zögern niederstrecken würde, wenn es nötig war.
Ich zog Erlenfang. Die Klinge lag leicht und vollkommen ausbalanciert in meiner Hand. Noch nie hatte ich einen Menschen getötet. Und ich hatte die Götter darum angefleht, es niemals tun zu müssen. Ich wusste nicht, was nun geschehen würde.
»Dann ist es so«, merkte Serion erschöpft an. »Nehmt sie fest! Tötet jeden, der Widerstand leistet.«
Er ging einen Schritt auf mich zu aber ich schlug seine Klinge beiseite. Serion stoppte, bevor er in Reichweite war und konterte mit einem kräftigen Schlag. Links neben mir stürzten sich die beiden Wachen des Hauses von Gamar auf Amondo. Doch der Großmeister war ein exzellenter Kämpfer und hielt beide hervorragend in Schach, wenn auch nicht ohne Mühe. Schekich hingegen drehte sich voll blitzender Vorfreude in Hermelinks Verteidigung hinein. Lemander kam ihm zur Hilfe, aber er war alles andere als ein geschickter
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