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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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hatte wirklich nicht mehr gewollt. Nur einen Blick aus der Ferne.
    Als Hinck wieder etwas von seiner Zeit erübrigen konnte, um sich ein weiteres Stück der Geschichte anzuhören, sprach er den Markgrafen auf das an, was Bermert gesagt hatte.
    »Die Leute sagen, du seist ein Held, Herr.«
    Überrascht fiel Deckards Blick auf ihn. »So? Was sagen sie denn noch?«
    »Sie sagen, du seist äußerst selbstlos, Herr.«
    Doch Deckard schmunzelte lediglich darüber, dann glitt sein Blick wieder auf den Großen Golf hinaus.
    »Nein«, meinte er. »Ich bin habe wohl ein paar Wesenszüge, die die Leute vielleicht als selbstlos oder heldenhaft bezeichnen. Das weiß ich nicht und ich überlasse es auch ihnen, darüber zu urteilen. Doch es gibt auch die dunklen Seiten des Deckard von Falkenberg. Die Abgründe, in die man nicht gerne blickt. Ich bin kein strahlender Held, Hinck. Ich bin ein Mensch, wie jeder andere auch. Und genau so wie ich lache oder feiere, so verzweifle ich auch über meine Hilflosigkeit vor dem Angesicht der Welt.«



Kapitel 9
    Von zerbrochenen Hoffnungen
    Der Fahrtwind schlängelte sich in kalten Böen überall hin auf dem Schiff. Es gab keine Kajüte und keinen festen Unterstand. Lediglich nachts spannten die Nordmänner über einen großen Teil des Decks ein Zelt aus Leinenstoff. Zumindest in den Nachtstunden waren wir also Wind und Wetter nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
    Das lange Holzschiff mit dem Namen Skrara hatte eine Besatzung von vierundzwanzig Mann. Flach und schlank lag es im Wasser. Ein hoher Mast ragte mittig auf und bot Platz für ein großflächiges Segel, abwechselnd weiß und fliederfarben gestreift – die Farben von König Fjelding. Es gab ein großes Holzdeck, das sich keine Schrittlänge über der Wasseroberfläche befand. Auf diesem Deck spielte sich alles ab. Es gab Ruderbänke für zehn Mann pro Seite und einen kleinen Steuerstand. Dann waren da noch eine Menge Fässer, Säcke und Truhen. Verpflegung für mehrere Wochen war hier verstaut. Auf dreiviertel des Wegs zum Bug befand sich ein enger Holzkäfig, in dem zwei Gänse resigniert vor sich hinschnatterten. Sie würden das nicht bis zum Ende der Reise tun.
    Die alten Männer waren eine müde Reisegesellschaft. Alle waren sie hart und aus einem ganz besonderen Holz geschnitzt, aber der Fluch, der auf ihnen lag, raubte ihnen jede Lebensfreude. Sie ruderten wenig, weil sie ihre Kräfte nicht aufzehren wollten. Die kräftigen Frühjahrswinde, die vom Meer herüberwehten übernahmen glücklicherweise einen Großteil der Arbeit. Und so sauste das Schiff der Nordmänner trotz fehlender Ruderkraft die lange Ronar schneller hinauf, als es jedes Schiff des Reiches gekonnt hätte.
    Ihre Kunst, Schiffe zu bauen, die schnell und wendig waren und dennoch ein immenses Fassungsvermögen besaßen, war legendär. Und vor allem war sie unnachahmlich. Die Nordmänner versteckten ihre Werften zwar nicht oder unterwarfen sie irgendeiner Form sonstiger Geheimhaltung. Dieses spezielle Schiffsbauerhandwerk wurde jedoch außerhalb des Harjenner Reiches nicht gelehrt. Die reine Geschwindigkeit des Schiffes würde uns einen guten Vorsprung verschaffen. Wir fuhren jedem davon, der uns auf den Fersen war – sei es Schekich oder berittenen Boten. Und wenn wir erst die Grenze zum Gebiet der freien Städte erreicht hatten, wurde alle Nachrichtenübermittlung seitens des Ehernen Reiches überflüssig. Dort waren wir außerhalb der Reichweite Anselieths oder irgendeines Fürstentums.
    Und dennoch waren das alles Dinge und Tatsachen, über die ich nicht einmal müde lächeln konnte.
    Ich konnte überhaupt nicht lächeln in dieser Zeit. Im Gegenteil: Ich war am Boden. Geschlagen, überwältigt, vernichtet.
    Das Bild von Hermelinks letztem Augenblick fing mich immer wieder ein. Die letzte Konstante in meinem Leben, der letzte gute Freund – mit neununddreißig Sommern einfach dahingerafft. Ermordet von einem Mann, der mich fortan in meinen Träumen heimsuchte. Nachts schreckte ich schweißgebadet hoch, trotz der eiskalten Frühlingsnächte an Bord, verfolgt von Schekichs Fratze.
    Hermelink. Armer, treuer Hermelink.
    In jenem Moment im Torhaus der Burg Tanne, als ich ihm mitteilte, dass er mich zum Konklave begleiten würde, hatte ich ihn zum Tode verurteilt. Ich würde seiner Frau Jova nie wieder unter die Augen treten können, geschweige denn seinem Sohn.
    Aber das konnte ich ja auch gar nicht. Ich war ein Verräter. Auf der Flucht. Von mir selbst

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