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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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was wir tun können?«, fragte ich ergeben. »Es muss doch eine Möglichkeit geben, Linus aufzuhalten, ihm die Stirn zu bieten.«
    »Nicht mit Armeen und Waffen«, sagte Lemander bedeutungsschwer. »Ebenso wenig, wie Linus die Vernichtung des Reiches mit Tausenden von Bewaffneten heraufbeschwört. So wird es zwar enden, aber so hat es nicht begonnen.«
    »Wir haben die Nollonin«, stellte Lia fest. »Das heißt, wir können rückgängig machen, was mein Bruder den Nachbarvölkern des Reiches angetan hat.«
    »Aber das würde ewig dauern«, klagte ich. »Selbst wenn es nur einer einzigen Berührung bedarf, um den Fluch zu brechen. Jeder Mann, jede Frau und jedes Kind eines Volkes müsste den entsprechenden Nollonar berühren. Das dauert eine halbe Ewigkeit.«
    »Und dennoch ist es an uns, die Nollonin zu den Völkern zu bringen.«, brachte Lemander es auf den Punkt. »Wir sind die Einzigen, die das können! Und daher ist es unsere verdammte Pflicht!«
    War es wirklich so? Waren wir urplötzlich zum Dreh- und Angelpunkt einer ganzen Welt geworden? Ein alter Mann, der sich mit einem Falken unterhielt; ein junge Elbin, die verloren war fernab der Heimat; ein verstoßener junger Markgraf, der zwanghaft versuchte, immer und stets das richtige zu tun.
    »Dann sind unsere Ziele klar«, meinte ich grimmig. »Wir müssen zuerst ins Harjenner Reich. Wie praktisch, dass wir immerhin diesen Weg schon größtenteils zurückgelegt haben. Dann müssen wir irgendwie zu den Riesen gelangen. Und schließlich müssen wir in den Süden nach Quainmar, wie auch immer wir das bewerkstelligen sollen.«
    »Da sei unbesorgt«, sagte Leonhrak, während er vom Heck der Skrara zu uns herüberkam. »Wir können euch gar nicht dankbar genug sein, wenn ihr unser Volk von diesem unnatürlichen Fluch erlöst. Ein Schiff, das euch sicher und schnell an euer Ziel bringt, wird euer geringstes Problem sein.«
    Ein Lächeln stahl sich auf Lemanders Gesicht, während er einen grimmigen und arythmischen Vers zitierte, der König Aan zugesprochen wurde:
    Auf, auf, ihr Recken!
    Der Weg ist lang, das Tagwerk schwer
    Und allezeit
    fließt magere Hoffnung sanft zum Meer.

Kapitel 11
    Brüder im Norden
    Das schlimmste Gefühl auf unserer Reise war die Ungewissheit des Wartens. Die Wilde See des Nordens war zu dieser Jahreszeit nicht besonders wild. Dafür schien sie schier endlos. Tiefblaues Meerwasser soweit das Auge reichte, über viele Tage lang. Die Skrara schaukelte langsam über einen Wellenkamm zum nächsten. Hier, ohne Land in Sichtweite, hatte es den Anschein, als ob wir trotz voller Segel und kräftigen Männern in den Riemen unsagbar langsam vorankamen, obwohl mir natürlich bewusst war, dass wir gute Fahrt machten. Vom spritzenden Wasser bei hohem Wellengang war meine Haut bald vollkommen salzig.
    Meine Gedanken kreisten um unsere neu abgesteckten Ziele. Ein guter Zeitpunkt, um sich den Metschlauch zurück zu wünschen.
    Oder auch nicht.
    Ich hatte Ellyn zurückgeschrieben und ihr Lias Geschichte dargelegt. Die Nollonin waren der einzige Faktor im gesamten Geschehen, den wir kontrollieren konnten. Zumindest solange sie sich in unserem Besitz befanden. Wieder vermied ich es, unseren Aufenthaltsort oder unseren nächsten Zielort anzugeben. Überraschenderweise schien sich in Anselieth die Idee nicht aufgedrängt zu haben, wir könnten an Bord der Skrara gegangen sein. Dennoch fürchtete ich, Linus könnte es in Erfahrung bringen. Denn aus unserem bisherigen Schriftwechsel ließ sich zweifelsohne folgern: Entweder waren wir auf dem Weg in den Norden, wobei das Reich der Riesen das unwahrscheinlichste Ziel darstellte. Oder wir waren auf dem Weg nach Quainmar.
    Schließlich kam eines Morgens Jorhammer in Sicht, die größte Insel des Harjenner Reichs. Dort lag die Hauptstadt Lukae und die sagenhafte hölzerne Halle, in der König Fjelding auf seinem Thron saß. Zumindest hoffte ich inständig, dass er das noch tat und dass ihn das vorzeitige Alter nicht hinweggerafft hatte. Wir brauchten noch einen weiteren Tag, um das östlichste Ende Jorhammers zu umsegeln, damit wir den großen Handelshafen Tjaabu von Norden her ansteuern konnten. Schmachtend stand der erste Maat Brimbart an der Reling. »Meine Heimat«, freute er sich und rieb sich über den dicken Bauch. Abgenommen hatte er trotz seiner wiedergewonnenen Jahre nicht merklich. Doch sein Bart hatte beinahe die strahlend rote Farbe eines Fuchsfells angenommen.
    »Wir werden es schaffen«, murmelte er immer

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