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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Schauergeschichten wirkten sie. Ich kniff die Augen zusammen, wischte mir Schmutz aus den Augenwinkeln. Wie groß konnte der Hass eines einzelnen Mannes sein, dass er ein ganzes Volk zu diesem eigenartigen Siechtum verurteilte? Selbst, wenn König Aan den Elben ohne jedes Recht ihr Land genommen hatte und sie in die Verbannung getrieben hatte, rechtfertigte das nicht Linus’ Taten. Ich stieß die rechte Faust in die linke Handfläche. Seine tapfere Schwester würde ihm einen Strich durch die Rechnung machen … zumindest hoffte ich das inständig.
    Während wir von Bord gingen, sah ich Leonhrak Hände schütteln und Umarmungen entgegennehmen. Die Männer umarmten ihre alten Frauen und greisen Kinder. Ein wenig abseits warteten Lia, Lemander und ich und beobachteten all die überschwängliche Wiedersehensfreude. Lia hatte erneut eine Kapuze übergezogen, auch wenn Brimbart ihr versichert hatte, dass sie von den Harjennern nichts zu befürchten hatte. Hier waren Elben zwar selten, wurden aber als Handelspartner aus fernen Ländern wertgeschätzt.
    Trotz des rauen Umgangs und des rauen Wetters, an das die Nordleute gewöhnt waren, schien es hier friedlicher zuzugehen als im Hafen von Anselieth. Ich beobachtete Frauen, die gefangene Dorsche und Seelachse an Holzgestellen aufhängten, um sie in der Seeluft zu Stockfisch zu trocknen. Robbenfelle wurden gegerbt und Werkzeuge und Schmuck aus bunten Perlen feilgeboten. Ein Junge mit schneeweißem Haar trieb eine kleine Ziegenherde vor sich her. Von einer Seite der Hafensiedlung klang das Klirren der Schmiedehämmer zu uns herüber und hinter uns ragten in einiger Entfernung die groben Skelette einiger im Bau befindlicher Schiffe auf.
    Schließlich fand sich ein halbes Dutzend Soldaten der Harjenner ein, die uns zum Hofe König Fjeldings eskortieren sollten. Ihr langes Haar fiel ihnen unter den Helmen auf den Rücken und über ihre Schuppenpanzer. Im Tross hinter sich führten sie vielleicht zehn Fjordfalben mit sich, Pferde mit buschigen Mähnen und einem fahlgelben Fell.
    Der Prinz wies uns jeweils einen der Falben zu, ebenso den Soldaten und Brimbart. Die Soldaten nahmen uns in die Mitte und so durchquerten wir Tjaabu in südwestlicher Richtung, um nach dem Passieren eines Holztores auf eine breite Straße zu gelangen. Sie war aus Sand und zu beiden Seiten mit Bohlen fixiert. Außerhalb der Palisaden von Tjaabu verfielen wir in einen strengen Galopp, denn es würde noch etwa eine Stunde dauern bis Lukae, die Hauptstadt des Harjenner Reiches, vor uns auftauchen sollte. Von oben bis unten aus Tannenholz erbaut, lag sie strategisch günstig auf mehreren Hügelkämmen, bevor sich dahinter der nackte Fels des Gebirges erhob. Die Wälder im Umland waren über die Jahrhunderte dem Ausbau der Stadt gewichen. Der Entwurf einer solch großen Stadt aus Holz wirkte brachial auf mich. Zwei mächtige Befestigungswälle umgaben in konzentrischen Ringen die Anhöhe in der Mitte, auf der die berühmte Hölzerne Halle emporragte. Tannenstämme, dick wie mehrere Männer, ragten als Wall empor. Die Zwischenräume waren aufgefüllt mit Bruchstein und Schutt. Diese mehrere Schrittlängen dicken Palisaden zu durchbrechen schien kaum möglich – selbst mit Feuer nicht. Kein Angreifer würde es bewältigen können, ein solches dermaßen heiß anzufachen, dass es die Wälle niederreißen konnte, bevor er unter dem Beschuss von oben zugrunde ging.
    Wie die Strahlen eines riesigen Sterns ragten überdies nach etwa jeder halben Meile des Walls sogenannte Brecher weit über die Grenze der Stadt hinaus. Nur zu beiden Seiten des Tores standen sie dichter. Es waren Palisadenabschnitte, die – wie ihr Name schon vermuten ließ – etwaige Feindeshorden brechen, also teilen sollte, während man sie von oben mit allem bewerfen und beschießen konnte, was einem in die Finger fiel.
    Wir passierten das erste gewaltige Torhaus, nach dem sich die Straße dann weiter hinauf schlängelte und wir bald auch den zweiten Festungsring durch ein ebenbürtiges Tor durchquerten. Vor uns lag die gewaltige Hölzerne Halle von Lukae. Sie sah an vielen Stellen aus wie die Holzhäuser der Harjenner, doch sie war um einiges größer. Allein ihr Dach überspannte die Fläche von mehreren Äckern. Kunstvolle Verzierungen waren an Säulen und Stützen angebracht. Bunte Rundschilde mit metallenen Buckeln zierten den hölzernen Palast.
    Der Vorhof war mit einem steinernen Pflaster ausgelegt, etwas, das sich selten fand bei den

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