Dornen der Leidenschaft
zurück. All das Geld, das sie ausgegeben hatte, all ihre harte Arbeit war umsonst gewesen. Esplendor gehörte ihr nicht, hatte ihr niemals gehört.
»Señor, ich – ich weiß nicht, was ich sagen soll«, flüsterte sie verzweifelt. Jetzt würde sie niemals herausfinden können, ob Basilio ermordet worden war oder nicht. »Ich brauche ein paar Tage, um zu packen, dann –«
»Doña Aurora!« unterbrach Salvador sie, weil er sofort klarstellen wollte, daß er nicht an ihrer Abreise interessiert war. Er wollte dieses wundervolle Geschöpf nicht gleich wieder verlieren. Er konnte sie vielleicht nicht lieben, aber er konnte ihr wenigstens seinen Schutz anbieten.
»Bitte, Señorita.« Er nahm ihre Hand. »Der Tod Ihres Bruders, die schwere Arbeit auf der Plantage, die Hitze, meine Ankunft – all das war zuviel für Sie. Es ist kein Wunder, daß Sie ohnmächtig geworden sind. Obwohl ich ein Fremder bin, sehe ich, daß Sie sehr traurig und erschöpft sind. Ich bin überzeugt, daß Basilio mir das Anwesen nicht vererbt hätte, wenn er gewußt hätte, daß Sie auf dem Weg hierher waren. Ich habe Sie nur von den neuen Besitzverhältnissen informiert, weil ich die entsetzliche Last von Ihren Schultern nehmen wollte, die Plantage wieder aufbauen zu müssen. Ich verspreche Ihnen, daß es nicht in meiner Absicht liegt, Sie zur Abreise zu bewegen.«
Aurora musterte ihn und konnte immer noch nicht glauben, daß er tatsächlich hier war. Was würde er sagen, wenn er ihre Gedanken lesen könnte? Daß er ihr Liebster aus einem vergangenen Leben war, der Mann ihrer Träume – daß ein Blick seiner Augen, eine Berührung seiner Hand ihr Herz zum Rasen brachte? Daß sie sich danach sehnte, ihren Kopf an seine Schulter zu legen und seine starken Arme um sich zu fühlen?
Nein, das konnte sie ihm nicht sagen, er würde sie für verrückt halten – und vielleicht war sie das ja auch. Warum wünschte sie sich nichts sehnlicher, als hier in Esplendor bleiben zu dürfen, an seiner Seite? Sie kannte ihn erst ein paar Minuten, und doch kannte sie ihn schon ihr Leben lang.
Mi corazón, mi alma …
»Sie sind sehr freundlich zu mir, Señor«, sagte sie schließlich. »Und, si, ich würde mich gern eine Zeitlang ausruhen, bevor weitere Entscheidungen gefällt werden müssen. Ich habe in letzter Zeit so viel entschieden.« Aurora rieb sich müde die Augen. Der Kopf tat ihr weh, und sie wollte sich hinlegen und ausruhen. »Aber vielleicht ist Ihre Frau nicht damit einverstanden, Fremde in ihrem neuen Heim zu beherbergen.«
Salvador lächelte.
»Ich habe keine Frau, Doña Aurora«, sagte er. »Außer meiner Mutter in Spanien und meinem Cousin in Tejas habe ich niemanden auf der Welt. Wenn Sie Esplendor verlassen, dann ist niemand da, der mir Gesellschaft leisten kann.«
Dem konnte sich Aurora nicht widersetzen. Sie wußte nur zu gut, was es bedeutete, allein zu sein.
»Gut, Señor«, sagte sie leise. »Ich bleibe noch eine Zeitlang in Esplendor.«
»Ich sage Ihnen doch, Señor, ich habe alles versucht!« schrie Ijada verzweifelt, da sie wußte, daß der Holländer nicht zufrieden mit ihr war. »Ich habe einen großen Marmorstein heruntergeworfen, als der Junge unten vorbeiging, er hat ihn aber knapp verfehlt. Ich habe ein Feuer in der Küche gelegt, aber dabei ist nur ein Kind meines eigenen Stammes zu Schaden gekommen! Sangre de Cristo! Ich habe einen Skorpion in das Bett der Señorita gesetzt. Aber dieses schlaue Mädchen, Lupe, hat den Skorpion gefunden und zertreten. Ich sage Ihnen, Señor, ich habe alles versucht, um sie zur Abreise zu bewegen, und nichts hat genützt.«
»Das macht nichts«, sagte Paul van Klaas und zuckte mit den Achseln. »Ich habe die junge Frau gesehen, ein zierliches, empfindliches Mädchen, das nicht in den wilden Dschungel paßt. Sie wird bald entmutigt sein und freiwillig abreisen.«
»Das kann sein«, stimmte Ijada zu. »Aber das ist nicht mehr wichtig, denn jetzt ist eine neue Schwierigkeit aufgetaucht! Ein Fremder ist in Esplendor angekommen. Er hat das Dokument, das Sie wollten, Señor, die Besitzurkunde für die Plantage. Don Basilio hat sie vor seinem Tod diesem Mann überschrieben und Gilberto Huelva beauftragt, ihm das Dokument zu bringen. Deshalb konnte ich es nicht finden, obwohl ich das ganze Haus auf den Kopf gestellt habe.«
Die Augen des Holländers wurden gefährlich schmal, aber Ijada führt fort.
»La Aguila hat die Zügel schon fest in der Hand, und die Señorita hat es erlaubt!
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