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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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sexuelle Anspielung verlegen, selbst wenn sie noch so unpassend erschien, und mit seinem Vergleich lag er gar nicht falsch.
    Mein gewagtes Unterfangen, ihm einen Knuff zu versetzen, scheiterte, doch irgendwie gelang es mir, meine Hände unter sein T-Shirt zu graben und es ihm über den Kopf zu ziehen, wobei sich auch sein Piratentuch verabschiedete. Schon in der nächsten Sekunde hatten sich unsere Haare im Clinch, obwohl meine noch nass waren und eigentlich von einem Gummi gebändigt wurden. Seine Jeans jedoch hatte den üblichen dunklen Hosen gegenüber einen eindeutigen Vorteil, wie ich freudig feststellte – sie saß nicht allzu eng und ließ sich ohne viel Aufheben und Gestrampel von seinen Hüften ziehen.
    »Warte«, bat mich Colin mit einem leisen Keuchen, griff neben sich und befreite den Gürtel aus den Schlaufen der Jeans. Dann legte er die Hände über seinen Kopf an den Holzbalken, gegen den er sich lehnte, und nickte mir auffordernd zu.
    »Aber … aber sie ist doch …«, erwiderte ich verwirrt.
    »Tessa ist tot, ja, aber ich bin immer noch ein Mahr, immer noch hungrig, oder hast du das etwa vergessen? Alles, was sich geändert hat, ist, dass wir mehr Zeit haben, uns gegenseitig auf die Nerven zu gehen. Nicht viel mehr Zeit als vorher, aber genug.«
    Das klang nicht anzüglich, sondern viel zu ernsthaft für eine scherzhafte Bemerkung.
    »Darüber will ich nicht reden. Nicht jetzt, okay?« Ich hatte eine vorwurfsvolle Schärfe in meine Stimme legen wollen, doch es war mir vollkommen missglückt. Meine Worte klangen flehentlich, nicht überlegen. Mit einer ruppigen Bewegung zerrte ich mein Kleid, das bei unserem kleinen zärtlichen Handgemenge nach oben gerutscht war, wieder über mein Hinterteil. Trotzdem waren dank unserer eigensinnigen Haare meine Lippen noch nah genug an Colins Mund, dass er sie mit seiner Zungenspitze berühren konnte. Und meine Lippen scherten sich nicht um Stolz und Eigensinn. Sie wollten ihn küssen, sie taten es, ohne mich zu fragen und meine Erlaubnis zu erbitten. Ich biss ihn, doch das störte ihn kaum. Seine Arme glitten wieder herab, schoben sich unter mein Kleid, bis seine kräftigen Fingerspitzen sich in die zarte Haut meines Rückens gruben.
    »Okay, jetzt nicht«, wisperte er, befreite seine Arme aus meinem Kleid – ein Akt, der ihn spürbare Überwindung kostete – und drückte mir den Gürtel in die rechte Hand, weil die linke schon andere Ziele im Visier hatte. Einigen konnten sie sich nicht. Ich wollte den Gürtel fallen lassen. Er war mir egal.
    »Lassie, rette dich vor mir, bitte …«
    Ich löste meine Lippen frustriert von seinen und versuchte, mich zu konzentrieren. Fahrig hob ich den Gürtel auf, band seine Arme an den Balken und verknotete die Enden.
    »Das genügt nicht.« Colins lange Finger bewegten sich zur Seite, um die Lederstriemen fester zu ziehen.
    Ohne seine Hände auf meiner Haut wurde mir schlagartig kalt und ich fühlte mich mit einem Mal verraten und betrogen. Wieder lag alles, was jetzt geschah, an mir, und bei all unserer Vertrautheit und Zuneigung: Ich war nicht erfahren genug, als dass es mir bereits leichtfiele, nicht nach einer solchen Tortur, nicht nach Albträumen von Pestbeulen und mehrtägiger Todesangst. Vielleicht würde es mir niemals leichtfallen, aber eine andere Wahl hatte ich nicht. Es war idiotisch, gerade erst überlebt zu haben und in der nächsten Minute gedankenlos den Tod anzulocken – oder aber die Ewigkeit, mit dem Preis, dass Colin mich nicht mehr lieben würde. Deshalb musste ich es tun, und zwar so, wie das Schicksal es von uns verlangte, wenn wir weiter beisammen sein wollten. Er gefesselt, ich frei. Und doch so gefangen.
    »Verflucht«, flüsterte ich unter Tränen, als ich Colin endlich wieder in mir spürte und dabei so gottverdammt alleine war. Wütend schlug ich meine rechte Faust auf seine Brust. Trotzdem wollte ich nicht weg, wollte ich hier mit ihm sein, zwei Wesen in einem Körper, denn das war es doch, was ich mir verdient und erfochten hatte …
    »Du musst nichts tun. Bleib einfach bei mir.« Es besänftigte mich ein wenig, Colins samtene Stimme in meinem Kopf zu hören und von der Verantwortung befreit zu werden, erneut die Regie zu übernehmen. Nein, wir mussten uns nicht bewegen oder etwas entscheiden, es reichte vollkommen, gemeinsam da zu sein.
    Ich weinte haltlos, ohne Trost zu finden, ohne Umarmung, sosehr ich mich auch an ihn schmiegte und dem Rauschen in seiner Brust lauschte, das stärker

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