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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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einer anderen Zeit, und sein Gesicht hatte sich kein bisschen verändert. Lediglich seine Haare und Klamotten hatten sich der Moderne angepasst, teilweise jedenfalls. Was musste sie nur denken?
    »Ja, bitte?«, erwiderte Colin mit freundlicher Distanz, doch sie war nicht in der Lage, einen vollständigen Satz zu formulieren. Sie stammelte.
    »Sie … Sie erinnern mich … Sie … das ist unglaublich!« Sie tat mir leid, aber ihre nicht enden wollende Fassungslosigkeit verunsicherte mich auch. Musste ja eine große Liebe gewesen sein, wenn sie sich so aufführte. »Entschuldigen Sie bitte, aber … aber ich muss das einfach fragen. Sind Sie mit einem Jeremiah Lafayette verwandt?«
    Jeremiah Lafayette, dachte ich säuerlich. Wie kreativ! Neid und Eifersucht verätzten meine Kehle, weil dieser Name ihr vorbehalten war, nicht mir.
    Colin senkte die Lider, als er antwortete. »Das war mein Vater. Kannten Sie ihn?«
    »Ja! Ja, ich kannte ihn, sehr gut sogar …«
    Nicht so gut wie ich, Mädchen!, hätte ich am liebsten aufgeschrien, doch ich zwang mich zu einem unverbindlichen Lächeln.
    »Prima, dann ist die Sache ja geklärt«, sagte ich und wandte mich Colin zu, um der Frau zu bedeuten, dass sie abziehen konnte, doch Colin spielte nicht mit. Es war schwierig für ihn mitzuspielen, da ihre schwarzen, weichen Augen immer noch über sein Gesicht wanderten und sich nicht losreißen konnten. Ihr Mund zuckte in einer unkontrollierten Mischung aus Lächeln und Bestürzung und mir entging nicht die Traurigkeit, die sie in diesem Moment ausstrahlte. Ich fühlte sie selbst, als wäre sie in mir entstanden. Colin entging sie auch nicht.
    »Lebt er noch?«, fragte die Frau. Ihre Finger zitterten unentwegt.
    »Bedauerlicherweise nicht. Mein Vater ist vor einigen Jahren gestorben.«
    »Okay. Okay …« Die Frau bedeckte ihr Gesicht mit den Händen, ein vergeblicher Versuch, ihre Emotionen zu bändigen. Sie hatte gehofft, dass er noch lebte! (Was er ja auch tat, jetzt und für alle Ewigkeit.) Sie trug einen Ehering, hatte wahrscheinlich drei niedliche Kinder und brach hier beinahe zusammen, weil sie erfuhr, dass ihre Jugendliebe gestorben war. Ich fand es unerträglich.
    »Das tut mir leid für Sie, wollte ich natürlich sagen, tut mir sehr leid«, stotterte sie. »Ich … ich gehe dann mal wieder … einen schönen Abend noch Ihnen beiden …«
    Rückwärts zog sie sich von unserem Tisch zurück, die Augen immer noch auf Colin geheftet, als würde sie tot umfallen, wenn sie sie von seiner Gestalt löste. Ihre Freundin nahm sie fürsorglich in Empfang, doch sie wehrte ihre Berührungen ab und setzte sich abseits auf ein Mäuerchen, den Kopf gesenkt und die Hände immer noch bebend.
    Colin rieb sich über die Stirn, und als er aufsah, traf mich sein direkter Blick wie ein Peitschenhieb.
    »Schön, unsere Unsterblichkeit, was?«, fragte er zynisch. Ich hätte ihn ohrfeigen können.
    »Kommen alte Gefühle hoch? Soll ich gehen?«
    »Sei nicht albern, Ellie. Sie ist nicht mehr unbedingt der Typ Frau, für den ich mich vergessen könnte. Aber sie ist es einst gewesen. Und sie begegnet jemandem, der genauso aussieht wie ich zu jener Zeit …«
    »Weil du es bist. Und weiter?«
    Colin stand ruckartig auf. »Es tut mir leid, Ellie, ich muss mich mit ihr unterhalten. Ich kann sie so nicht stehen lassen, sie wird das nicht verkraften …«
    »Was willst du!?« Ich schaffte es, leise zu sprechen und ein Lächeln aufzusetzen, obwohl ich eigentlich fuchsteufelswild war, aber diese Mittvierzigerin sollte sich nicht einbilden, wir würden streiten. Sie wusste zwar nicht, dass ihr Jeremiah mein Colin war, aber für meine Gefühle spielte das keine Rolle.
    »Ich muss kurz mit Charlotte reden, ich muss ihr erklären, warum ich damals plötzlich verschwunden war, irgendetwas, womit sie leben kann …«
    »Du willst sie anlügen«, brachte ich es auf den Punkt.
    »Ja, genau. Ich werde sie anlügen. Weil Lügen manchmal leichter zu verkraften sind als die Wahrheit. Du müsstest das wissen, Ellie. Dein Leben hat lange Zeit nur aus Selbstlügen bestanden und in manchen Dingen befindest du dich wieder auf dem besten Wege dorthin.«
    Jetzt konnte ich meine unbeteiligt-entspannte Miene nicht mehr beibehalten. Ich spürte, wie die brennende Eifersucht mein Gesicht in eine Fratze verwandelte, und die Tränen, die über Charlottes gerötete Wangen kullerten und ihr Make-up zerlaufen ließen, rührten mich nicht nur zutiefst, sondern machten mich auch zorniger,

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