Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
Vom Netzwerk:
Knacken in meinen Schultern doch nichts ausrichten konnte. Offen gestanden verspürte ich nicht die geringste Lust darauf.
    »Was ist mit Kindern? Ihr könnt keine Kinder zeugen!«, rief ich matt triumphierend. Vielleicht konnte ich meine Erörterung ja trotzdem noch auf eine Fünf plus hochdiskutieren.
    »Das ist richtig. Aber das Thema erledigt sich eigentlich automatisch. Denn deine Menschenkinder würdest du überleben und das würden kein Vater und keine Mutter wollen.«
    Nun bereute ich es, diesen Punkt angesprochen zu haben. Er war mir zu heikel, zu nah. Nein, darüber wollte ich jetzt nicht nachdenken.
    »Aber es muss doch einen Grund geben, warum auch manche Mahre sterben wollen … Und ich finde, es ist ein hoher Preis, wenn man ständig Gier auf Träume verspürt und die Menschen berauben muss, um sie zu stillen. Eigentlich seid ihr doch die Getriebenen, nicht wir!« Vier minus? Eine Vier minus hatte ich verdient.
    Angelo stand unvermittelt auf und ging zu seinem Flügel, wo er sich auf den Hocker setzte und einmal langsam um sich selbst drehte. Mit den Fingerspitzen strich er über die Tasten, ganz sacht, sodass kein Ton erklang. Sein Blick war in sich gekehrt, viel zu weit weg von mir, obwohl ich nur wenige Meter daneben saß.
    »Was ist denn jetzt?«, fragte ich verunsichert. »Hab ich was Falsches gesagt?«
    »Nein, aber … Weißt du, egal, wie ich es nun formuliere und begründe, es wird so aussehen, als wolle ich ihn schlechtmachen, und diesen Schuh mag ich mir gar nicht erst anziehen.«
    »Wen, ihn? Colin?«
    Angelo sagte nichts. Also meinte er Colin.
    »Ich kann sehr stur sein«, warnte ich. »Verrate mir, was du denkst, wenigstens einen Bruchteil dessen. Ich möchte es wissen.«
    »Ich glaube nicht, dass das anständig wäre.« Er zierte sich nicht nur, es war ihm wirklich nicht wohl dabei. Nun wusste ich auch, warum er sich ans Klavier gesetzt hatte. Wahrscheinlich fühlte er sich dort sicherer als direkt neben mir.
    »Angelo, du bist ein Mahr, ich erwarte von dir nicht, dass du anständig bist. Jetzt rück schon raus damit …« Es machte mich zappelig, dass ich nicht mehr in seine Augen sehen konnte, aber ich wollte ihm auch nicht hinterherlaufen.
    »Vielleicht möchte ich ja auf meine Weise anständig sein. Okay … Pass auf, ich versuche es andersherum: Bist du Vegetarierin?« Endlich blickte er wieder zu mir herüber.
    »Nein. Hast du doch gesehen, als wir Pizza gegessen haben. Die Salami war göttlich.«
    »Hast du mal versucht, vegetarisch zu leben?«
    Oh ja, das hatte ich. Es war ein sehr kurzer Versuch gewesen. »Mit vierzehn. Aber ich hab’s wieder aufgegeben.«
    »Warum?«
    »Weil – ich finde dieses Frage-und-Antwort-Spiel übrigens ziemlich doof, das nur nebenbei – ich mich elend gefühlt hab. Ich bekam Bauchschmerzen und Verdauungsprobleme und mein Eisenwert rauschte in den Keller.« Mein Eisenwert war eigentlich immer zu niedrig gewesen, aber meine vegetarische Phase hatte einen handfesten Mangelzustand verursacht. Und die Tabletten dagegen hatte ich nicht vertragen. Ich wurde blass, übellaunig, dauermüde und noch empfindlicher als sonst. Erst nach einer großen Portion Spaghetti bolognese hatte ich mich einigermaßen wie ein Mensch gefühlt. »Ja, und dann hab ich wieder Fleisch gegessen, nicht übermäßig viel, doch es gehört dazu.«
    »Aber du magst Tiere, oder?«
    »Natürlich.« Neuerdings sogar Skorpione, Quallen und Schlangen. Und Angelos winzige Regenfrösche. »Du willst mir also sagen, es kommt ganz darauf an, was man isst?«
    »Ich will sagen, dass eine ausgewogene Ernährung wichtig ist. So wie wir essen, fühlen wir uns auch. Jemand, der hektisch und wahllos Essen in sich hineinstopft, ist selten ein ausgeglichener, zufriedener Mensch. Ich glaube, dass ich mich ausgewogen ernähre und von dem nehme, was ich brauche.«
    »Angelo, ich möchte dich ja nicht in Grund und Boden reden, aber du raubst den Menschen Träume!« Ich wollte vorwurfsvoll klingen und es war mir sogar einigermaßen geglückt.
    Ihn konnte es jedoch nicht aus der Ruhe bringen. »Ja, Träume, ein nachwachsender Rohstoff.«
    Ich lachte spöttisch auf, doch Angelos sanfter Blick erstickte es. Er meinte das so, wie er es sagte! Ein nachwachsender Rohstoff …
    Ich schüttelte hitzig den Kopf. »Nein, so einfach ist das nicht … Wenn Mahre ein Opfer ständig aussaugen, wird es depressiv und krank und irgendwann hat es gar keine Träume mehr!«
    »Wer sagt denn, dass ich das tue? So etwas reizt

Weitere Kostenlose Bücher