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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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es gefährlich war, hier zu schwimmen. Ich lief trotzdem weiter, vielleicht fand ich eine abgelegene, flache Stelle zum Baden, denn das Bewegen an Land fiel mir immer schwerer.
    Am Fuße der Treppen saßen ein paar Touristen, die schwitzend filmten; dabei gab es nichts zu sehen außer Meer und Steinen. Ich wandte mich nach rechts und stellte rasch fest, dass ich klettern musste, um weitergehen zu können. Meine Kraft schwand. Bei fast jedem Schritt rutschte ich ab und schlug mir die Knie auf, meine Hände begannen zu bluten, doch ich arbeitete mich verbissen weiter vor, es musste einen Strand geben, einen klitzekleinen Strand, auf dem ich mich in der letzten Sonne des Tages ausstrecken und träumen konnte, von Angelo, damit er mich witterte und suchte, er würde mich suchen und finden, ich musste träumen …
    Beim nächsten Felsbrocken verfing sich meine Tasche an einem scharfkantigen Steinvorsprung und riss mich zur Seite. Im letzten Moment verhinderte meine linke Hand den Sturz in eine Spalte, zwischen deren schwarz glänzenden Wänden das Meer gurgelte, doch mein Gesicht prallte hart auf den von tausend Stürmen zerborstenen Fels. Blut lief über meine erhitzten Wangen.
    Ich blieb liegen, um Atem zu schöpfen und neue Kraft zu sammeln, und auf einmal hörte ich es: ein gleichmäßiges, ruhiges Brandungsrauschen, das es nur an einem seicht abfallenden Strand geben konnte, kein nervöses, unregelmäßiges Klatschen des Wassers gegen Basaltbrocken.
    Umständlich löste ich die Tasche von dem Steinvorsprung, über den sie sich gewickelt hatte, und stemmte mich wie ein Seehund hoch, um erneut zu lauschen. Ich täuschte mich nicht. Das Brandungsrauschen war da und es rief mich eindringlich, ich musste weiterklettern, egal, wie zerschunden meine Haut und meine Knochen auch waren. Das Salz des Meeres würde die Wunden wieder heilen.
    Als das Rauschen so nahe kam, dass es beinahe das Plätschern zwischen den Felsen übertönte, konnte ich nur noch kriechen. Jede weitere Erhebung trieb mir den kalten Schweiß auf die Stirn, mein Magen revoltierte und meine Muskeln zuckten, als würden meine Arme und Beine ausgepeitscht werden.
    Ich schrie lautlos auf, als ich den nächsten Fels überrundete und immer noch kein Strand in Sicht war, ich musste akustische Halluzinationen haben, ich hörte das Rauschen deutlich und klar, aber es kam von links, aus den Felsen, nicht vom Meer, und das konnte nicht sein … Felsen konnten nicht rauschen. Trotzdem ließ ich mich von dem Steinbrocken, auf dem ich mich gerade befand, blindlings herunterrollen und landete auf einer kleinen Mauer – eine Art Trampelpfad, der in die Steilküste gehauen worden war, gut versteckt und nur für jene sichtbar, die ihn kannten. Ich legte mich bäuchlings auf ihn und robbte vorwärts, indem ich mit den gestreckten Armen um die Kanten des Mäuerchens griff und meinen Körper nachzog, bis plötzlich ein dunkler Schatten auf mein Gesicht fiel. Ich hielt inne.
    Ja, es war dunkel geworden. Ich befand mich im Felsen … Schwarzes Gestein umschloss mich.
    Das Plätschern des Wassers war hier nur noch gedämpft zu hören, doch das Rauschen befand sich nun dicht vor mir, es floss in meine Adern und wallte in meine Lungen, bis mein Organismus im Gleichklang mit ihm arbeitete, alles synchron, die Bewegungen meiner Eingeweide, das Pumpen meines Blutes, die Schläge meines Herzens, eine wunderschöne Harmonie, einträchtiges dunkelrotes Pulsieren.
    Mit einem letzten Aufbäumen hob ich meinen Kopf und blickte hoch. Das Wesen vor mir saß auf dem blanken Steinboden seiner Höhle, die Füße unter dem Leib verborgen, der Oberkörper gerade, aber entspannt. Es war klein und beinahe zierlich, im Stehen würde es mir allenfalls bis zur Schulter reichen, doch seine Aura war so präsent und bezwingend, dass ich mich verbeugt hätte, wenn ich nicht schon vor ihm gelegen hätte wie eine gestrandete Meerjungfrau.
    Das Rauschen kam aus ihm, aus seiner Brust. Es brach sich an den Wänden der Höhle und kehrte wieder zurück, um sich mit sich selbst zu vervielfachen, doch es verlor nie seinen einschläfernden, hypnotischen Rhythmus.
    Ich konnte nicht sagen, ob es ein Mann oder eine Frau war; es trug die Haare kurz, ähnlich der Frisur, wie ich sie aus meinen alten Lateinbüchern kannte, von den Steinbüsten antiker Diktatoren, die in Museen standen und keine Pupillen in den Augen hatten. Doch seine Augen wollte ich nicht ansehen. Ich verfing mich an seinem feinen, sensiblen Mund,

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