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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Meer, in die Sonne – in das Licht. Zu Angelo.
    Die dünnen Sohlen meiner Schuhe begannen zu schmelzen und klebten am trockenen Boden fest. Mit zwei fahrigen Schritten befreite ich mich aus ihnen, um barfuß weiterzulaufen, obwohl das erhitzte Erdreich mir die Haut versengte. Die feinen Härchen auf meinen Armen kräuselten sich und mein Zopf begann zu knistern. Lahm schlug ich dagegen, um die vermeintlichen Flammen zu löschen, wobei das Band aufging und meine Locken sich mit einem Ruck aus ihrem ungewohnten Gefängnis befreiten.
    Colin!, wollte ich erneut rufen, doch dieses Mal konnte ich nur noch würgen. Keine Kraft mehr zu husten. Der Ruß legte sich schwarz auf meine Lungen. Punkte tanzten vor meinen entzündeten Augen, als ich über einen lodernden Ast sprang und mich auf eine Lichtung rettete, die das Feuer noch nicht erfasst hatte. Nun konnte ich seinen Namen nicht einmal denken. Ich wollte ihn auch nicht denken. Sein Gesicht kannte ich nicht mehr. Seine Nähe war mir fremd. Hinter mir hörte ich schwere Hufe trappeln. Fliehendes Wild oder … oder … nein … bitte nicht …
    »Hey. Süße. Was machst du hier?«
    Ich fuhr herum und stürzte blindlings in seine Arme, um mich Halt suchend an ihm festzuklammern.
    »Da bist du ja … Ich hab dich gesucht …«, röchelte ich. Er nahm mich hoch. Ich legte meine Beine wie ein Äffchen um seine Hüften. »Ich hatte dich so vermisst, du wolltest heute zurück sein!«
    »Ich bin ja zurück. Ich bin wieder da. Aber das hier ist kein Platz für dich. Noch bist du sterblich … Wovor hast du Angst? Du bist doch jetzt in Sicherheit.«
    Wieder hörte ich das Geräusch von trampelnden Hufen hinter uns.
    »Lass mich los. Du musst mich loslassen!«, flüsterte ich heulend in sein Ohr. »Colin kommt. Er ist hier. Wahrscheinlich sucht er mich.«
    Angelo reagierte sofort, aber nicht schnell genug. Schon war Louis mit panisch aufgerissenen Augen und peitschendem Schweif durch das brennende Dickicht gebrochen. Mit einer schnellen Bewegung, sein schwarzer Blick leblos und kalt wie Stein, hatte Colin mich aus Angelos Armen gerissen und vor sich auf den Rücken des Hengstes gehievt. Ich drehte mich zu Angelo um.
    »Heute Abend!«, rief ich ihm zu. »Warte auf mich!«
    Er nickte nur, seine blauen Augen verwundert und ein wenig verletzt, vielleicht sogar mutlos. Entschuldigend hob er die Schultern. Es schnitt mir ins Herz. Ich wollte Colins Arm von meinem Bauch schieben, um mich vom Pferd fallen zu lassen und zurück in die Flammen zu rennen, doch ich hatte keine Chance. Meine Finger schrammten über das breite Lederarmband an Colins Handgelenk. Tief bohrten sich die Splitter des Schiffsbodens in meine Haut. Die Splitter. Ich hatte sie mir selbst in den Daumenballen gejagt. Warum hatte ich das getan? Hatten sie mich nicht an etwas erinnern sollen? Aber was sollte das sein?
    In wildem, unkontrolliertem Galopp preschte Louis aus dem brennenden Wald heraus. Immer wieder musste er hinabgestürzte, qualmende Äste überspringen und wiehernd vor Furcht von Colin vorwärtsgetrieben werden, doch nach und nach lichtete sich das Dickicht und ich konnte wieder atmen, ohne husten zu müssen. Obwohl ich hin und her geschüttelt wurde, starrte ich meine blutende Hand an. Ich hatte sie mir verletzt, weil sie mich erinnern sollte, erinnern an … an meine Schuld. An das, was geschehen war. Was war eigentlich geschehen? Wodurch hatte ich mich schuldig gemacht? Ich brauchte Schmerz, mehr Schmerz, diese lächerlichen Verletzungen genügten nicht.
    Colin parierte das Pferd in den Trab, dann in den Schritt. Mit klappernden Zähnen sah ich mich um. Wir waren wieder am Meer, nicht mehr weit von unserer Straße entfernt. Nur noch wenige Meter und er würde mich absetzen, um auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden.
    Tu mir weh, dachte ich inständig. Ich bettelte ihn an. Bitte, tu mir weh. Tu mir weh! Es ist alles recht, solange es schmerzt!
    Colin brachte Louis zum Stehen, als würde er auf meine Worte lauschen, doch er blieb unberührt im Sattel sitzen.
    Tu mir weh, versuchte ich es noch einmal in Gedanken, denn sprechen konnte ich nicht. Meine Zunge war verdorrt. Da Colin immer noch nicht reagierte, drehte ich mich um, schmiegte mich an seine Brust und schlang meine Arme fest um seine Schultern, so fest, wie ich nur konnte. Keine einzige Regung erwiderte meine Berührungen, kein Herzschlag, nicht einmal ein Rauschen. Nichts. Ich umarmte einen Felsen.
    Trotzdem presste ich ihn noch fester an mich, als

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