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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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mich flach auf den kühlen Boden, um unter mein Bett zu kriechen. Ich stieß ein triumphierendes Keuchen aus, als ich ihn fand; all die Tage und Wochen nach seinem giftigen Stich hatte er hier gesessen und auf seine zweite Chance gewartet. Es ging überraschend schnell, obwohl ich nicht ausholen konnte und sein Panzer fest und spröde war. Doch er konnte meiner Entschlossenheit nichts entgegensetzen, ich war ihm einen Gedanken voraus. Ein Knacken ertönte, als die Spitze des Spießes sich durch seinen Leib bohrte. Noch während er zuckte, fädelte ich ein dünnes Lederband durch das Loch und band ihn mir um den Hals. letzt war ich bereit.
    Tillmann wartete schon im Wagen. Er hatte mich gehört und gewusst, dass es begann. Ohne ihn anzusehen, setzte ich mich neben ihn. Er hatte sich saubere Sachen angezogen, das erkannte ich aus den Augenwinkeln heraus, doch ich spürte sofort, dass seine Gefühle in Aufruhr waren. Er stand unter Stress – nicht meinetwegen, sondern weil er keinen Stoff mehr hatte. Er benötigte drei Anläufe, um den Motor anzuschalten, weil seine bebenden Hände immer wieder vom Zündschlüssel rutschten. Ich wartete geduldig. Noch hatten wir genügend Zeit.
    Stumm und mit malmendem Kiefer brachte er mich vom Meer weg und hinauf in den Wald – ich wies ihm lediglich mit knappen Gesten den Weg, Worte waren überflüssig –, während sein Schweiß in dicken, glitzernden Tränen über seinen Nacken rann. Die Straße brachte auch ihn an seine Grenzen, da das Erdbeben noch mehr Geröll und Steine in Bewegung gesetzt und auf sie geworfen hatte. Manchmal manövrierte er den schleudernden Wagen nur haarscharf am Abgrund vorbei, dann wieder schrammten die Reifen gefährlich nahe am Felsen entlang. Nichts davon konnte mich in Aufregung versetzen. So kurz vor dem Ziel würde ich nicht scheitern. Es würde alles seinen Lauf nehmen, genau so, wie ich es wollte.
    Als wir an die Abzweigung zu dem verlassenen Dorf gelangten, bat ich ihn, anzuhalten und den Motor auszustellen. Er gehorchte, ohne zu zögern. Ich atmete tief ein.
    »Du stinkst abartig«, bemerkte ich. Menschen stanken. Mahre nicht. Warum hatte ich ihn nur dabeihaben wollen? Er störte mich.
    »Mann, ich hab einen Affen, kapierst du das nicht?«, raunzte er mich an, als er meinen Abscheu bemerkte. Ich antwortete nicht.
    Hektisch durchwühlte er seine Hosentaschen, bis er ein kleines buntes Briefchen fand und sich auf die Zunge legte. Seine Kiefermuskeln arbeiteten rhythmisch, während sein Nacken gegen die Kopfstütze des Fahrersitzes sank und seine Augen sich leicht verdrehten.
    Angeekelt von seiner Schwäche wandte ich mich ab und öffnete den Mund, um die heiße Luft zu inhalieren, trockenes Gras und Feuer, als meine Zunge und meine Lippen plötzlich Worte formten.
    »Tillmann, erinnerst du dich an unsere Abmachung?«
    »Ja«, knurrte er halblaut. Seine Lider begannen zu flattern.
    »Gut«, erwiderte ich kühl und streifte erst mein dünnes Shirt, dann meine Hose und zum Schluss den Slip von meiner Haut, wobei ich mich wie ein Akrobat auf dem Beifahrersitz verrenkte.
    »Was tust du da?«, fragte Tillmann argwöhnisch. Er begann mir auf die Nerven zu gehen.
    »Halt den Mund und genieße deinen Trip.«
    »Ellie, du kannst doch nicht …«
    »Kann ich nicht? Warum nicht? Schämst du dich?« Jetzt war die Wut wieder da, ein allerletztes Mal, als würde sie Abschied nehmen wollen. Ich stieß die Tür auf und schob mich aus dem Wagen, um mich aufzurichten, bis auch der letzte Muskel in meinem biegsamen Rücken gestrafft war und die Wirbel weit auseinanderstanden. Mein Haar fiel lang und wild über meine Schultern. Der heiße Wind, der sich heute ein letztes Mal über dem Land erhoben hatte und vom vergehenden Sommer erzählte, strich zart über meine nackte Haut und kitzelte meine Scham.
    Ich ging in die Knie, um den Karton zu öffnen und die Schlangen herauszuholen. Tillmann wich erschrocken zurück, doch ich ignorierte ihn. Die Mutter legte ich um meinen Hals, wo sie sich sofort liebevoll an mich schmiegte, ihre Kinder fanden in meinen Haaren Platz. Mit starrem Blick wandte ich mich zu Tillmann um.
    »Sieh dir an, was geschieht«, beschwor ich ihn. Seine Pupillen waren riesig geworden, das Braun seiner Augen kaum mehr zu erkennen und nur noch ein dünner, schwach schimmernder Ring. Ich wollte nichts mehr sagen, doch wieder begannen meine Lippen sich von allein zu bewegen. Menschen waren so geschwätzig. »Bleibe im Verborgenen, bis es so weit ist. Leb

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