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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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hätte dich damit nicht unter Druck setzen dürfen. Es war der falsche Augenblick, es war zu viel verlangt, zu … zu hart für dich.«
    »Wie kommt es denn zu dieser späten Erkenntnis?«, fragte ich süffisant und nun blitzte auch in Colins kantigen Zügen ein wehmütiges Grinsen auf. Er zeigte mit dem Daumen hinter sich, wo Louis wie abgeknallt, aber laut schnaufend im Sand lag und den lieben Gott einen guten Mann sein ließ.
    »Er hat mich zu ihr geleitet. An dem Abend, als ich dich aus dem brennenden Wald gerettet habe und genau wusste, dass du zurück zu Angelo gehst …« Colin hielt inne und schlug seine langen Wimpern nieder. Als er wieder aufsah, waren seine Augen rabenschwarz – nicht wegen der Dunkelheit, die sich wie ein anthrazitfarbener Seidenschleier über dem Meer ausbreitete, sondern aus Schmerz. »Du wolltest, dass ich dir noch einmal wehtue, wahrscheinlich als letzten Beweis für meine Untauglichkeit als Mann, und – nein, lass mich ausreden, Lassie. Ich bin wieder zurück in den Wald geritten und wollte Louis dazu bringen, mitten in die Flammen zu galoppieren, damit wir beide verbrennen, denn … ich hatte plötzlich diese fixe Idee, dass es funktionieren könnte, wenn er mich hineinträgt und wir beide in Flammen aufgehen. Aber er hat sich geweigert. Er hat gebuckelt wie ein Rodeohengst, sich im Kreis gedreht, ist gestiegen, immer wieder umgekehrt, obwohl ich ihn anschrie und auf ihn einschlug. Bis ich begriff, dass er das niemals tun würde. Weil er es nicht kann. Es geht gegen seine Instinkte … Er ist eben ein lebendiges, fühlendes Wesen. Er hatte Angst.«
    Ich versuchte, Colin böse und strafend anzusehen, doch meine Augen schwammen in Tränen.
    »Du bist wirklich ein selten dämlicher Hornochse …« Nicht nur das. Er hatte mir gerade, ohne es zu ahnen oder gar zu beabsichtigen, den Rest der Formel verraten. Schmerz öffnet die Seele. Das war der zweite Teil. Mich mit Angelo zu sehen, hatte ihm die Basis für seinen eigenen Tod geschaffen. Louis hatte ich es zu verdanken, dass es nicht geglückt war, diesem riesigen schwarzen Prachtross, vor dem ich mich so sehr fürchtete. Louis liebte Colin. »Ja, vielleicht bin ich das. Aber ich wollte nicht länger dabei zusehen, wie du dich in einen anderen verliebst, ich hatte alles getan, was ich tun konnte …«
    »Ich habe mir meine eigene Rippe angebrochen, damit ich Schmerz fühlte, wenn ich atmete, Colin! Nicht, damit ich dich guten Gewissens abschreiben kann.« Plötzlich fiel er mir wieder ein: mein Wunsch, Schmerzen zu haben, um mich trotz meiner Gefühle für Angelo wenigstens vage daran zu erinnern, was geschehen war. Mein Vorhaben war geglückt, erst in der allerletzten Sekunde, aber es war geglückt. »Der Schmerz sollte mich auf den richtigen Pfad lenken. Ich war zu diesem Zeitpunkt schon bei Morpheus gewesen und wusste alles. Ich musste es aber um jeden Preis vor Angelo verbergen, was nur ging, indem ich mich auf meine Gefühle eingelassen habe, obwohl sie von ihm genährt wurden. Denn er konnte meine Gedanken lesen. Er kannte mich. Und noch etwas …« Jetzt konnte ich nicht anders – ich musste Colin in die Augen sehen, und zwar nicht wie nebenbei und zufällig, sondern direkt und länger als nur wenige Sekunden. Ich stellte mit stolperndem Herzen fest, dass ich nicht mit ihm schlafen musste, um seitwärtszukippen. Ein einziger Blick genügte. »Ich war nicht in Angelo verliebt. Das alles hatte nichts mit Liebe zu tun. Ja, ich hatte … erotische Tagträume von ihm, aber nicht, weil ich in ihn verliebt war, sondern weil es eine Möglichkeit gewesen wäre, ihm nahezukommen …«
    »Entschuldige, mein Herz, aber das ist Liebe.«
    »Nein, ist es nicht. Ich dachte nie daran, dich zu betrügen oder zu verlassen, das stand außer Frage. Es war vielmehr so, dass … ach, wie soll ich es erklären? Ich wollte das haben, was er ausstrahlte, diese Lässigkeit und Selbstsicherheit, das Spielerische in ihm, seine Unbeschwertheit, Jugendlichkeit – all das wollte ich auch haben. Für mich. Ich glaube, ich habe mich dabei gefühlt, wie ein Mahr sich fühlt. Ich wollte es mir von ihm nehmen. Ich hungerte danach. Ich hungere immer noch danach …« Ich musste eine Pause einlegen, weil mir von meinen eigenen Worten flau im Magen wurde. »Ich hasse ihn und das, was er mit mir und uns getan hat, aber ich sehne mich nach dem, was seinen Zauber ausmachte. Und das bringt mich dazu, mich selbst zu hassen. Ich darf mich nicht danach sehnen …«
    »Das

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