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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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niemand hat früher gewagt, direkt an der Küste zu bauen.«
    »Rührt daher ihre Angst vor Wasser?«
    »Ich weiß es nicht. Es ist möglich. Vielleicht ist es noch ein Überbleibsel aus ihrer Zeit als Mensch, das die Metamorphose nicht vollständig vernichtet hat. Die Sarazenen kamen meistens über die See und verübten so grausame Überfälle, dass das Blut manchmal in Strömen durch die Stadttore floss.«
    »Im Vergleich dazu ist ein Mahr im Garten ja richtig harmlos«, kommentierte ich Colins kleine Geschichtsstunde trocken, bevor sie mich zum Gähnen bringen konnte. Und doch liebte ich es, ihm dabei zuzuhören. »Kann ich heute Nacht bei dir bleiben?« Ich hasste es, danach fragen zu müssen. Gianna würde Paul so etwas niemals fragen. Es war selbstverständlich, dass die beiden sich das Bett teilten, und wenn es noch so schmal war. Colin und ich mussten diese Angelegenheit jede Nacht aufs Neue aushandeln.
    »Es ist zu gefährlich, oder?«, beantwortete ich meine eigene Frage, als er nicht reagierte, sondern mich ansah wie eine Sphinx – absolut undurchschaubar, was mich, gelinde ausgedrückt, rasend machte. »Klar, ich verstehe, es ist zu gefährlich. Wir haben zwar eine Idee, wie wir – du weißt schon.« Oh Gott. Das war ja wie bei Harry Potter. Ich wagte es nicht mal, ihren Namen auszusprechen. »Aber noch sind wir nicht so weit. Sagt Tillmann. Er muss noch etwas … ja, was muss er eigentlich? Ich weiß es nicht«, schloss ich entnervt.
    Colin versuchte, sein Grinsen zu verbergen, doch das gelang ihm mehr schlecht als recht und zu meiner Schande stellte ich fest, dass ich ebenfalls grinste, obschon es nicht einen vernünftigen Grund dafür gab. Es war ein Verzweiflungsgrinsen.
    »Hattest du wieder die Pocken?« Er berührte mit seinen kühlen Fingern meine malträtierte Armbeuge, um seine Hand nach einer kurzen Pause abwärtswandern zu lassen und unter mein Hemdchen zu schieben. Wie ein Eroberer, der endlich das Gelobte Land gefunden hatte, legte er sie besitzergreifend um meine linke Pobacke.
    »Die Sonne …«, sagte ich schwach und seufzte auf. Allmählich begannen mich Colins ständige Themenwechsel zu überfordern (und auch seine Hand auf meinem Hintern). Während er die Ruhe selbst war, bekam ich größte Schwierigkeiten, einen einzigen grammatikalisch korrekten Satz zu formulieren.
    »Ich hätte mir deine Akklimatisierungsschwierigkeiten zu gerne live angeschaut, aber ich hatte noch etwas zu erledigen.« Abrupt ließ Colin los. Sein Lächeln war verschwunden. »Wir sind nicht in Gefahr, Ellie. Oder bist du glücklich?«
    »Ich …« Schnaufend stoppte ich mich, bevor ich in die Versuchung geriet zu flunkern. Es hatte noch nie Sinn gehabt, Colin meine Seelenlage zu verleugnen. Er konnte in mich hineinsehen, eine Fähigkeit, die ich schon oft zum Teufel gewünscht hatte. »Nein«, entgegnete ich bockig. »Nein, glücklich würde ich es nicht nennen. Aber ich möchte bei dir sein, ich möchte mit dir sprechen, dich anfassen und … könntest du bitte dein Hemd ausziehen?«
    Ich trug keinen Slip und er würde sich gefälligst von seinem Hemd befreien. Ich fand, dass das ein fairer Deal war. Lachend nahm Colin meine Hand und ging mit mir – er schlenderte, ich schwankte – zur offenen Seite des Schuppens hinüber, wo Gianna und ich sein Lager errichtet hatten. Louis stand bereits kauend an der Heuraufe. Mein Nacken verkrampfte sich, als wir dicht an seinen schweren Hinterhufen vorbeischritten, doch ausnahmsweise war mir seine Gegenwart willkommen.
    »Eigentlich kann ja nichts passieren, wenn Godzilla dabei ist. Ich hab viel zu große Angst vor Louis, als dass …«
    »Du hast keine Angst vor Louis«, widersprach Colin. »Verkauf mich nicht für dumm, Ellie.«
    »Ich habe sehr wohl eine Pferdephobie!«
    »Du magst ihn nicht, weil er auf dich unberechenbar wirkt. Du bist ein Kontrollfreak. Alles, was du nicht bestimmen und leiten kannst, möchtest du am liebsten aus dem Weg schaffen. Du bist ein herrschsüchtiges Fräulein geworden.«
    »Tsss«, machte ich, weil mir nichts Besseres einfiel. Nun fing er wieder an zu psychologisieren, ganz wie zu Beginn unseres Kennenlernens. Ich hatte es noch nie gemocht.
    »Wir brauchen Louis nicht, um das Glück auf Distanz zu halten.« Colin lehnte sich an einen Heuballen und bedeutete mir, mich neben ihn zu setzen. Als ich es tat, nahm er meine Hand und führte meine Fingerknöchel an seine Lippen. Sie legten sich auf genau jene Stelle, wo gerade erst der Bruch

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