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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Ich versuchte, mich so nüchtern, wie ich es bei einem Fremden tun würde, zu analysieren. Ich war aufgeregt, das auf jeden Fall, vielleicht sogar freudig aufgeregt. Alles in mir bettelte darum, Colin zu begegnen. Wenn ich jetzt nicht nachsehen ging, würde ich die ganze Nacht kein Auge zumachen und mein Bauch würde zum Flugzeuglandeplatz mutieren. Aber Glück, reines Glück, fühlte sich leichter an und überschäumender, ließ die Gedanken an die Zukunft stärker in den Hintergrund rücken. Ich konnte gar nicht zu Colin gehen, ohne an die Zukunft zu denken – und auch nicht, ohne an die Vergangenheit zu denken, die in manchen Momenten beinahe noch schwerer wog als das, was uns bevorstand.
    Leise erhob ich mich und zog mir ein knielanges Trägerhemdchen über. Wie immer hatte ich nackt geschlafen. Um nach Unterwäsche zu suchen, hätte ich die schlecht geölten Türen des Schranks öffnen müssen und ich wollte die anderen nicht auf den Plan rufen. Ich musste mich dieser Situation allein stellen.
    Auf dem kurzen Weg durch den Flur zur Küche blieb ich immer wieder stehen und horchte in mich hinein, doch das Kribbeln in meinem Bauch und mein fast ängstlich schlagendes Herz machten sich zwar stärker bemerkbar, veränderten sich aber nicht. Trotzdem ging ich nicht sofort hinunter in den Garten, nachdem ich die Küchentür nach draußen geöffnet hatte, sondern stellte mich auf den balkonartigen obersten Treppenansatz, über dessen breitem Geländer wir unsere Handtücher zum Trocknen hängten, und beobachtete, was sich vor mir abspielte.
    Ja, du bist es wirklich, dachte ich, als ich Colins lange, schmale Gestalt durch das Dunkel der Nacht gleiten sah. Mit Sicherheit hatte er mich bemerkt, doch seine Aufmerksamkeit galt Louis. Er hatte bereits den Gartenschlauch an die Außendusche angeschlossen und füllte die Wassertröge, bevor er den Strahl auf Louis’ Hufe und Fesseln richtete und ihm Abkühlung verschaffte.
    Nicht nur Tessas Fluch, sondern auch das Pferd hielt mich davon ab, Colin entgegenzustürzen. Wie immer, wenn ich Louis das erste Mal seit längerer Zeit wiedersah, wallte meine alte Pferdephobie auf, obwohl ich seine Schönheit und Eleganz anerkennen musste und sogar bewunderte. Doch Louis wirkte wie ein Absperrgitter für mich. Er machte es mir nicht schwer, hier oben stehen zu bleiben. Andererseits war der pechschwarze Hengst vielleicht genau das Sicherheitsnetz, das ich benötigte. Angst und Glück widersprachen sich.
    Deshalb stieß ich das imaginäre Absperrgitter kurz entschlossen um und schritt Mann und Pferd auf dem trockenen Kiesweg entgegen, obwohl Colin Louis noch am Führstrick hielt und ihm beruhigend den muskulösen Hals klopfte. Seine Mähne hatte Colin in lange, dünne Zöpfe geflochten; vielleicht, um die Wärme im Transportwagen erträglicher zu machen.
    Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt sagen sollte. Jede Begrüßungsformel kam mir unangemessen vor. Auch brachte ich es nicht fertig, Colin direkt anzusehen. Ich ließ meinen Blick weich und verschwommen werden, als ich zu ihm trat und mit gesenkten Lidern dicht vor ihm stehen blieb.
    Auch Colin sagte nichts und ließ seine rechte Hand auf Louis’ schimmerndem Fell ruhen. Der Hengst prustete leise, als er mich erkannte. Ich lehnte meine Stirn ganz leicht gegen Colins Schulter, nur meine Stirn, nicht mein volles Körpergewicht. Inmitten der eher gedrungenen Süditaliener – auch Paul und Tillmann waren nicht besonders hochgewachsen – hatte ich ganz vergessen, wie groß er war.
    Er ließ einige Sekunden verstreichen, bevor er seinen linken Arm hob, ihn wie zufällig um meine Schulter legte und mit seinem Daumen über meine Wange strich. Ein einziges kurzes Streicheln, mehr nicht, aber genug, um meine Hilflosigkeit auf die Spitze zu treiben. Wir hatten schon miteinander geschlafen – wieso benahm ich mich, als wäre das unser allererstes Date? Und warum erwiderte er meine Zurückhaltung? War sie ihm etwa recht? Trotz meines rasenden Herzschlags und der Zweifel, die mich bestürmten, spürte ich die Innigkeit, die von uns ausging, als wir reglos in der Nacht standen, wie zwei Pferde, die sich nur mit den Nüstern berührten und gegenseitig schützten, während sie wachsam dösten.
    »Zerfällst du zu Staub, wenn du mich ansiehst, Lassie?« Colin hob kaum seine Stimme, doch ihre Klangfarbe und sein weicher Akzent brachten mein Blut in Aufruhr. Das Kribbeln in meinem Bauch rutschte eine Etage tiefer.
    Tatsächlich hielt mich eine

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