Dornenliebe
noch einmal, wer weiß, was hinter ihr ist, Tiere vielleicht, Schatten, der Schwan von vorhin. Zu sehen ist er nicht mehr.
»Ich komme nicht!«, antwortet Falk. »Du bleibst jetzt dort wie eine verschleppte Königstochter! Hier kann dich kein anderer Junge finden und mir ausspannen, hier gehörst du nur mir allein! Ich komme jeden Tag her und versorge dich!« Dann lacht er, rudert noch ein paar Meter weiter weg. Ein Zweig streift Lunas Haar, erneut schreit sie auf. Sie sieht Falk sich entfernen, sieht Thore oben auf dem Felsen stehen, sieht wieder Falk, hört beide lachen, weit weg von ihr, was habe ich an mir, denkt sie, dass ich immer wieder verlassen werde, Thore ist für immer fort, Falk soll zurückkommen, soll bleiben, bei mir bleiben, ich bin doch sonst allein auf der Welt. Luna stößt einen verzweifelten kehligen Laut aus.
»Falk! Bitte, Falk, ich habe Angst! Komm zurück!«
Endlich ändert er den Kurs, Luna zählt stumm jeden Ruderschlag, bis sie das Boot im seichten Wasser auf Grund laufen hört. Gleich darauf ist Falk auch schon wieder bei ihr und schlingt seine Arme um sie.
»Du Dumme«, raunt er dicht neben ihrem Ohr und bedeckt ihr Gesicht mit Küssen, unendlich zärtlich und so warm, dass ihr Zittern nachlässt und sogar ganz aufhört. »Hast du wirklich geglaubt, ich würde dich hier zurücklassen? Das könnte ich niemals tun, Luna.« Er streichelt ihren Rücken. »Niemals.«
4.
L una und Falk verbringen auch die Nacht zusammen, bis zum anbrechenden Morgen hält er sie umschlungen und sie genießt die Wärme seines Körpers neben ihrem, seine gleichmäßigen Atemzüge. So könnte es immer bleiben, denkt sie, Falk an meiner Seite, wir gehören zusammen, es ist so ein Wunder mit ihm, so unbeschreiblich.
»Fühlst du dasselbe wie ich?«, fragt er, als sie beide aufgewacht sind und der neue Morgen seine ersten Sonnenstrahlen durch Lunas Fenster schickt. »Wir beide sollten uns nie mehr loslassen. Du bist die Frau, auf die ich die ganze Zeit gewartet habe. Mein Gott, was habe ich nach dir gesucht …« Sein Blick schweift ab, richtet sich in die Ferne. Um seine Lippen bildet sich ein bitterer Zug. Mit den Fingerspitzen streichelt Luna sanft seinen Nacken, verstärkt den Druck, massiert die verhärteten Muskeln zur Schulter hin, bis er seinen Kopf ruckartig wieder zu ihr wendet.
»Egal«, sagt er und legt seine Wange an ihre. »Jetzt bist du da, eine neue Zeit hat begonnen. Ab heute gibt es nur noch dich und mich, alles andere zählt nicht.« Um seine Worte zu bekräftigen, küsst er feierlich ihre Lippen.
Das ist wie ein Traum, denkt Luna. So etwas hat noch nie jemand zu ihr gesagt. Nie zuvor ist sie jemandem wirklich wichtig gewesen. Kein Mensch hat jemals gesagt, dass er sie nie wieder loslassen wolle. Gestern Abend am
See - da hat er nur wissen wollen, ob es sie wirklich zu ihm zieht. Hat sie prüfen wollen. Natürlich würde er sie nicht im Stich lassen. Die ganze Nacht lang hat sie seine Nähe und Wärme gespürt.
»Was du sagst, klingt schön«, antwortet sie und fährt mit dem Finger sein Profil nach, vom Haaransatz über die Nasenwurzel, gleitet über den geraden Rücken seiner Nase und über die längliche Kerbe darunter. Auf seinen Lippen hält sie an, Falk beißt spielerisch hinein.
»Hast du Hunger?«, witzelt Luna und schlägt ihre Decke zurück. »Dann ist es Zeit zu frühstücken.«
Sie spürt Falks Blicke auf sich ruhen, er sieht ihr vom Hochbett aus zu, wie sie den Couchtisch deckt, hohe Kaffeebecher und Teller aus dem Nachlass ihrer Großeltern, Vollkornbrot, Butter, Tilsiter und Marmelade, Honig, ein wenig Salami, Früchtequark, eine Obstschale mit Clementinen und Äpfeln. Aus der Küche strömt Kaffeeduft ins Zimmer, die Maschine gurgelt und faucht, wenig später trägt Luna die Glaskanne und einen Tetrapak mit fettarmer H-Milch herein.
»Du kannst kommen«, sagt sie. »Es ist zwar nicht wie im Luxushotel, aber alles da, was man braucht.«
»Es ist traumhaft«, widerspricht Falk und klettert vom Hochbett, setzt sich im T-Shirt und in Boxershorts neben Luna aufs Sofa. Während Luna ihm Kaffee einschenkt, blickt er sich in ihrem Zimmer um, als hätte er es noch nie gesehen.
»Wie eine Oase«, bemerkt er schließlich. »Gerade in der Bescheidenheit, in der Einfachheit hat deine Wohnung etwas ganz Besonderes. Hier ist es wie in einem Refugium, an einem abgeschiedenen Ort, einer Zufluchtsstätte. Bei dir zu Hause fühle ich mich, als ob mir niemand etwas anhaben könne. Hier
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