Dornenliebe
ist alles gut.«
»Wer sollte dir etwas anhaben?«, fragt Luna und hört
auf, ihre Scheibe Brot zu bestreichen. Da ist es wieder, sein Geheimnis, irgendetwas hat er, denkt sie. Was immer es auch ist, ich will alles tun, damit er es vergisst, es überwindet, ich werde für ihn da sein, bis alle seine Wunden geheilt sind.
»Ach nichts. Niemand.« Falk wischt mit der Hand durch die Luft, als müsse er eine Fliege verscheuchen. »Ich meine nur … den Stress, meinen ganzen Alltag. Den Beruf, den Ärger mit Käufern und Verkäufern, noch schlimmer sind die Banken … du glaubst nicht, was an einer Immobile alles dranhängt. Manchmal gehört beispielsweise eine schöne alte Villa, die seit Jahren leer steht, einer Erbengemeinschaft, die auch noch untereinander zerstritten ist. Was da alles aufgedröselt werden muss, ist unglaublich. Dazu kommen noch die Wehwehchen meines Angestellten oder der Putzfrau. Es gibt so vieles, um das ich mich kümmern muss, weißt du.« Er nimmt ihre Hand. »Hier bei dir wirkt alles so unschuldig, so nach Neustart, so überschaubar. Hier ist kein Stress, hier kann ich mich einfach fallen lassen.«
»Kannst du«, bestätigt Luna und drückt seinen Arm. »Das ist auch so etwas Besonderes zwischen uns. Wir beschützen uns gegenseitig.«
Die Tage, bis Luna zur Uni muss, verbringen Falk und sie wie in Trance. Wenn er von der Arbeit kommt, sind sie fast ununterbrochen zusammen, auch er zeigt ihr seine Wohnung, ein Dachgeschoss in einer Stadtvilla gar nicht weit weg von ihrer Wohnung, von der andere in Falks Alter kaum zu träumen wagen. Seine Zimmer sind geräumig, auf den ersten Blick erkennt Luna, dass Sarah nicht übertrieben hat, als sie sagte, Falk verdiene bereits gut, noch dazu hat er sich unter allen Immobilien die Beste
ausgesucht. Die Einrichtung ist geschmackvoll und modern, seine Polstermöbel sind in hellen Farben gehalten, ebenso seine Teppiche. Die Schränke und die Regale sind aus dunklen edlen Hölzern gefertigt, seine Kerzenleuchter, Wandbilder und Glasvasen passen stilistisch so exakt zum Mobiliar, als hätte ein Innenarchitekt alles ausgewählt und aufeinander abgestimmt.
»Bald wohnen wir hier zusammen«, verkündet er, wartet nicht ab, was Luna dazu sagt. Ob sie das möchte. Luna ist beeindruckt von seiner Wohnung, insgeheim jedoch jedes Mal wieder froh, in ihrer zu sein, wo sie nicht, sobald sie sich setzt, die Befürchtung hat, etwas zu beschmutzen, mit ihrer Jeans, einem Krümel oder einem Kaffeefleck. Aber warm ist es hier, die hochwertigen Thermofenster und Falks Fußbodenheizung sorgen dafür, dass Lunas Körper sich sofort entspannt, sobald sie Falks Wohnung betritt, anders als bei sich, wo sie jetzt im Herbst immer Hausschuhe braucht und ihren Schal fast nur zum Schlafengehen ablegt. Wenn wir wirklich einmal zusammenziehen, denkt sie, werde ich zusehen, dass alles ein bisschen persönlicher wirkt, weniger perfekt vielleicht. Hier fehlen Gegenstände, die etwas von Falk erzählen, von seinem Leben, seiner Familie, von Erinnerungen. Vielleicht eines Tages auch von uns beiden. Sie stellt sich vor, wie sie Blumen verteilt, roten Mohn und Kornblumen im Frühsommer, Sonnenblumen im August, dazu noch gemeinsame Fotos, witzige Gegenstände, die sie zusammen im Urlaub auf Basaren erstehen werden. Wenn Luna erst ihre Möbel mitbringt, wird alles schon ganz anders aussehen, lebendiger. Aber damit eilt es ihr nicht. Zuerst möchte sie in Berlin richtig ankommen, sich an der Uni einleben, Leute kennenlernen, Abstand von allem gewinnen. Natürlich nicht von Falk. Ob sie zusammenwohnen oder nicht, ändert nichts an ihren Gefühlen
für ihn, mit der Zeit wird er das verstehen. Sie umarmt ihn.
»Lass uns damit noch warten«, sagt sie. »Ich bin ja gerade erst in meine Wohnung gezogen, vorher habe ich immer bei meinen Eltern gelebt. Jetzt muss ich erst mal erwachsen werden. Das Studentenleben genießen, auf andere Gedanken kommen nach dem Tod meines Bruders. Bestimmt muss ich auch viel pauken, mich erst mal in der Uni zurechtfinden. Und die Wohnung kann ich auch nicht gleich wieder kündigen, das wäre doch jetzt nur Stress.«
Auf ihre letzten Sätze geht Falk nicht ein. Zum Glück drängt er nicht weiter, denkt Luna erleichtert. Es wäre wirklich noch viel zu früh.
»Das Studentenleben genießen«, sagt er schneidend. »Damit meinst du bestimmt andere Männer.«
»Wie kommst du darauf?« Luna schüttelt den Kopf. »An andere Männer habe ich überhaupt nicht gedacht.«
»Lüg
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