Dornenliebe
nicht«, herrscht er sie an. »Was gibt es am Studium sonst schon zu genießen? Das Lernen an sich kann man wohl kaum als Freizeitbeschäftigung bezeichnen.«
»Nein, aber das Unileben, das ist schon etwas anderes als die Schule, stelle ich mir vor. Mich alleine orientieren, Arbeitsgruppen bilden, mit Kommilitonen abhängen, ohne dass meine Eltern wissen wollen, wann ich zum Essen nach Hause komme. Selbständig sein, Falk. Du bist da schon weiter, aber ich hatte das alles noch nie. Versteh mich doch, bitte.«
»Ich kann da nicht mitreden.« Er wendet seinen Kopf ab. »Ich habe nicht studiert.«
»Deswegen musst du doch keine Komplexe haben.« Luna streichelt seinen Arm. »Du hast doch einen tollen Beruf.«
»Komplexe?« Falk zieht die Augenbrauen zusammen
und rückt von ihr ab. »Du hast nichts kapiert, Luna. Es geht nicht um irgendeinen akademischen Abschluss, schon gar nicht bei dir als Frau. Es geht darum, dass ich dich sicher an meiner Seite wissen will.«
»Aber das bin ich doch«, versichert sie, und da ist es wieder, dieses verzweifelte Gefühl von schwindender Nähe, das sie aufhalten möchte, sie will die Harmonie zurück, sie wiederherstellen, und hat doch das Gefühl, an einer Marmorwand abzuprallen. »Ich bin doch an deiner Seite, Falk, ich bin immer da, auch wenn du mich nicht siehst. Auch wenn du bei deinen Kunden bist und ich in der Uni, und auch wenn wir jeder in unserer Wohnung sind. Andere Männer interessieren mich nicht. Vertrau mir doch bitte.« Ihre Arme zucken, sie möchte ihn festhalten, streicheln, all seine Schmerzen heilen, woher sie auch immer rühren mögen. Aber sie wagt es nicht, aus Angst, er könnte sie wegstoßen, ablehnen, verlassen.
Falk atmet hörbar ein.
»Vertrauen. Wie soll ich dir vertrauen, wo wir uns noch kaum kennen? Vertrauen muss man sich erst erarbeiten, Luna.«
»Aber du hast selbst gesagt, dass das mit uns etwas Besonderes ist«, versucht sie, ihn zu erinnern. »Und das ist es auch, Falk. Dieses Band zwischen uns - das löst sich doch nicht auf, nur weil …«
»Genug.« Allein der scharfe Klang seiner Stimme schneidet ihr jedes Wort ab. Plötzlich jedoch schließt er seine Arme um sie, genau wie an jenem Abend auf der Insel, nachdem er mit dem Boot zu ihr zurück gekehrt war. Luna spürt, wie seine Muskeln sich wieder entspannen. »Entschuldige«, flüstert er. »Das alles ist nur, weil ich dich so liebe, Luna. Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben. Am liebsten möchte ich dich nie mehr loslassen.«
Luna hebt ihren Kopf. Falks Worte sind bis in ihr Innerstes
vorgedrungen, sie spürt ihren Hals enger werden. In seinen Augen versinken, denkt sie; und mir um nichts Gedanken machen. Vielleicht bin ich diejenige von uns, die zu wenig vertraut.
»Du liebst mich?«, fragt sie leise. »Wie kannst du jetzt schon so sicher sein?«
»Frag nicht«, murmelt er und küsst ihren Hals, wandert mit den Lippen millimeterweise abwärts bis zum Schlüsselbein. »Ich habe es vom ersten Moment an gewusst.«
Am Nachmittag darauf trifft sich Luna mit Sarah in der Stadt, um Schreibwaren für den Semesterbeginn einzukaufen.
»Und? Wie läuft es mit deinem Falk?«, fragt Sarah, als sie anschließend noch im Selbstbedienungsrestaurant des Kaufhauses sitzen und Milchkaffee trinken. Ihre Tüten haben sie auf die beiden freien Stühle an ihrem Tisch abgestellt, um zu vermeiden, dass sich jemand zu ihnen setzt. Durch das Stimmengewirr der vielen Menschen kann Luna die Worte ihrer Freundin nur knapp verstehen. Sie rührt nachdenklich in ihrer Tasse, lässt Zucker vom Löffel hineinrieseln, versucht zu erklären, warum es oft traumhaft schön mit ihm ist und dann wieder so schwierig. Erzählt von seiner Eifersucht, die ihn immer wieder überkommt, wegen Kleinigkeiten, sogar wegen einer unbedeutenden selbst gekauften billigen Blume. Sarah starrt sie an, scheint jedes Wort aufzusaugen, das über Lunas Lippen kommt.
»Ihr seid also fest zusammen?«, vergewissert sie sich. »Und Falk will am liebsten schon, dass du bei ihm einziehst, passt auf dich auf wie ein … Luna, das ist der absolute Wahnsinn! Da musst du zugreifen, der Typ ist wie ein Sechser im Lotto und du hast ihn dir geschnappt! Mach
das doch, deine Bude im Hinterhof ist nun wirklich nicht so toll, dass du da wer weiß wie lange dran kleben musst. Wenn einer wie Falk mich so was fragen würde …«
»Warst du schon mal bei ihm?«
Sarah nickt.
»Irgendwann mal kurz, da hat er für ein paar Leute einen Brunch
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