Dornenliebe
ist nur eine Redensart, damit ist mehr Sympathie gemeint.«
»Lösche ihn.«
Luna verdreht die Augen und lässt sich das Handy geben, blättert ihr Adressbuch durch, löscht die Nummer von Till aus Remscheid, mit dem sie außer dem Nachhilfeunterricht wirklich nicht viel gemeinsam hatte. Seine Freundin Nele hatte im Deutsch-Leistungskurs neben ihr gesessen.
Falk nimmt ihr das Handy wieder ab, überprüft, ob sie Till wirklich gelöscht hat, drückt die Taste mit dem roten Hörer, verzichtet darauf, weitere Nachrichten vorzulesen. Dann gibt er es Luna zurück. »Du musst mir nichts gestehen, Luna, denn ich weiß, was du machst. Ich sehe dich. Immer.«
Etwas in Luna krampft sich zusammen. In der Pfanne zischt und brodelt das Öl. Mit zitternden Händen wirft sie die Garnelen aus der geöffneten Packung, greift nach einem bereitliegenden Holzlöffel, ohne ihr Telefon aus der Hand zu legen.
»Aperitif?«, fragt Falk, nun wieder in zufriedenem, freundlichem Ton. Luna nickt, er verschwindet im Wohnzimmer,
um nach den richtigen Gläsern zu suchen, hat die Stereoanlage eingeschaltet, etwas lauter, als es angenehm für sie ist. In ihrer Hand vibriert lautlos ihr Handy. Jaron hat geschrieben.
8.
B eim Essen weint Luna, die ganze Zeit, lautlos, wortlos, unfähig, ihre Tränen zu stoppen. Sie hat nichts getan, was Falks Ausbruch gerechtfertigt hätte, und weiß nicht, wie sie es ihm erklären soll. Jaron ist nur ein Kommilitone, der sie unverbindlich zur Kneipenrallye eingeladen hat, rein freundschaftlich, und er hat am Abend zuvor nicht einmal diese Anziehung in ihr ausgelöst, wie sie sie selbst jetzt Falk gegenüber empfindet, selbst jetzt noch, wo er sie so mit seinem Misstrauen verletzt hat. Sie ist ihm doch treu gewesen! Falk weiß nicht einmal, dass es Jaron gibt, es gibt ihn nicht so, wie er es glauben würde, wenn er von ihm wüsste. Er sitzt ihr gegenüber und trinkt mehr, als er isst, sein Blick beginnt aufzuweichen. Luna isst, den Kopf tief gesenkt, die vielen Schluchzer schütteln sie beim Kauen und die Tränen laufen unablässig über ihr Gesicht, sie kann sie nicht stoppen. Ohne Falk anzusehen, führt sie ihre Gabel zum Mund, wieder und wieder, isst hastig und fast ohne zu kauen und etwas zu schmecken, ohne aufzuschauen, sieht nur seine Hände mit den langen, gepflegten Fingern, in die sie sich so verliebt hat, sieht ihn bedächtig eine Garnele aufspießen, etwas Rucola dazu, mit seinem Messer streicht er etwas Sauce darauf. Bis er diesen Vorgang wiederholt, hat Luna schon drei Gabeln voll zu sich genommen, lange vor ihm wird sie fertig sein, weiß nicht, was sie dann tun soll, sie kann ihn nicht ansehen, nicht so. Luna fühlt sich, als ob
sie in einen Abgrund stürzt; das kann doch nicht die Liebe sein, denkt sie, er weiß, wie unerfahren ich bin, dass ich vor ihm keinen Freund hatte, niemanden, mit dem mich eine tiefe Liebe verbunden hätte. Beide waren sie doch wie im Rausch nach ihrem ersten gemeinsamen Abend, der ersten zusammen verbrachten Nacht, es war doch so schön, so unglaublich, es kann doch noch nicht vorbei sein, sie sind sich so sicher gewesen, dass ihre Begegnung schicksalhaft ist, dass nichts und niemand sie wieder trennen kann. Vielleicht hätte sie bei ihm bleiben sollen, gestern Abend, um ihm zu beweisen, wie ernst sie es mit ihm meint. Vielleicht ist es nicht normal, bereits nach wenigen Wochen mit anderen auszugehen, ich hätte das nicht tun dürfen, fleht sie ihm stumm entgegen, noch immer ohne ihm in die Augen zu sehen; noch dazu, wo ich weiß, dass es dich verletzt und verunsichert.
Ihren letzten Bissen spült Luna mit einem großen Schluck Weißwein nach; danach ist ihr Glas beinahe leer, sie überlegt, ob sie aufstehen und gehen soll, wo Falk sie doch nicht mehr will, wo er doch so sehr an ihrer Liebe zweifelt. Alles in ihr wehrt sich dagegen, aber so geht es nicht weiter, so ist sie ihm sicher nur lästig. Vor ihr hatte er bestimmt andere Freundinnen, elegante junge Frauen mit gesellschaftlichem Schliff, die es zu schätzen wussten, ihn an der Seite zu haben und nie auf die Idee gekommen wären, einen Kneipenabend unter Studenten seiner Gesellschaft vorzuziehen. Dann gehe ich eben, durchfährt es sie; ich bin nicht imstande, auf die Menschen zu achten, die ich liebe; auf Thore nicht, und auch nicht auf Falk, kein Wunder, dass sie mich beide verlassen, wenn auch jeder auf eine andere Art. Mit der rechten Hand dreht Luna ihr Glas auf der Tischplatte hin und her, in der Linken
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