Dornenliebe
hält sie noch immer ihre Gabel, die zerknüllte Serviette droht ihr vom Schoß zu fallen, sie hat sie als
Taschentuchersatz benutzt, ein paar mal vergeblich versucht, ihre Augen zu trocknen. Ihre Nase ist vollkommen verstopft, sie will aufstehen und ins Bad gehen, um sich zu schnäuzen und ihr Gesicht zu waschen. Doch dann ist es Falk, der sein Besteck auf den Tellerrand legt. Behutsam langt er über den Tisch und greift nach ihrer Hand.
»Luna«, sagt er. Seine Stimme wie Samt, die Haut seiner Hände warm und glatt, langsam und zärtlich streicht er mit dem Daumen über die weiche Stelle zwischen ihrem Daumen und Zeigefinger. »Nimm es dir nicht so zu Herzen, Luna. Es tut mir leid, wenn ich mich vorhin etwas zu hart ausgedrückt habe. Hör doch bitte auf zu weinen.«
Luna krallt ihre Finger um seine.
»Ich kann nicht«, stößt sie hervor. »Mir tut es auch leid, Falk. Ich mache das nicht mehr, wirklich nicht. Ich muss mich nicht abends mit den Kommilitonen treffen, wenn du das nicht willst. Ich könnte …«
»Schon gut.« Falk steht auf, geht um den Tisch herum und stellt sich neben Lunas Stuhl, drückt ihren Kopf an seinen muskulösen Bauch, streichelt ihr Haar. Luna schließt die Augen, es tut so gut, so gut, endlich ist sie wieder geborgen bei ihm, alles war nur ein Missverständnis, das kann vorkommen, wenn man sich noch nicht lange kennt. Für alle Zeiten möchte sie so sitzen bleiben, seinem Herzschlag lauschend, und sich unter seinen zärtlichen Händen beruhigen, allmählich ebbt ihr Schluchzen ab, mit jedem Streicheln wird es weniger, nur die Tränen laufen noch, jetzt lässt sie es zu, denn auch das wird gleich vorbei sein, sie weint jetzt nur noch aus Erleichterung. Sie und Falk haben sich wieder. Endlich.
Als Luna sich ganz beruhigt hat, breitet sich eine grenzenlose Müdigkeit in ihr aus. Ihr Gesicht fühlt sich geschwollen an wie das eines gerade entbundenen Babys,
ihre Augen brennen vom Weinen so stark, dass sie Mühe hat, sie wieder zu öffnen.
Irgendwann rappelt sie sich hoch, bestimmt will Falk nicht ewig so stehen bleiben. Sie strauchelt leicht, er fängt sie auf, hält sie mit beiden Armen umschlungen, Luna spürt seinen Atem an ihrem Ohr, ihrem Hals.
»Es ist wieder gut«, raunt er, »alles ist wieder gut, Luna. Dein Weinen hat mir gezeigt, dass ich dir etwas bedeute. Wenn ich so außer mir bin, dann doch nur aus Angst, dich zu verlieren.«
»Die hab ich doch auch«, flüstert sie in seinen Sweater, der bestimmt nass ist von ihren Tränen, er fühlt sich so weich an, so vertraut, auch Thore hatte solche lässigen, gemütlichen Baumwollpullover. Falk küsst sie, dann geht er leicht in die Knie und hebt Luna auf seine Arme, trägt sie ins Schlafzimmer, wo er sie sachte wie ein schlafendes Kind auf seinem breiten Bett ablegt. Zuerst deckt er sie zu bis ans Kinn, leise lacht sie auf, amüsiert über seine Fürsorglichkeit, der Schmerz ist vorbei, seine weiße Bettdecke duftet noch nach Waschmittel, vielleicht hat er sie extra für sie frisch bezogen. Falk legt sich neben sie und stützt seinen Kopf auf die Hand, um sie anzusehen, in seinem Blick ist jetzt nichts Misstrauisches mehr, ernst und entschlossen sieht er in ihre Augen und beginnt sie zu streicheln, mit sanftem Druck fährt seine Handfläche über ihren Körper, dringt seine Zunge in ihren Mund. Dann fängt er an, Lunas Körper in Besitz zu nehmen, jede Berührung, jede Bewegung lässt keinen Zweifel daran, dass er derjenige ist, der bestimmt, was geschieht. Wann immer Luna ihm zeigen will, was ihr gefällt oder was ihr Unbehagen bereitet, umfasst er ihre Handgelenke und macht weiter, weiter, nur er ist hier der Aktive, er allein, bis er schließlich erschöpft zusammensackt und sie das volle Gewicht seinen Körpers auf ihrem fühlt. Sie wagt
nicht, ihn von sich zu schieben, wagt nicht, sich überhaupt zu regen. Sie harrt aus und starrt an die Zimmerdecke, bis er schließlich, bereits halb eingeschlafen, auf die Seite rollt. Luna liegt wach, bis sie von der fernen Hauptverkehrsstraße her die ersten Lastwagen und Autos hört.
An den folgenden Tagen versucht Luna, sich weiter in der Uni einzuleben, und konzentriert sich aufs Lernen. Sorgsam achtet sie darauf, in den Hörsälen immer einen Platz neben einem Mädchen zu ergattern, spricht auch nur Mädchen an, wenn sie eine Frage hat, meist jedoch sitzt sie mit nach vorn zum Dozenten gerichtetem Blick in ihrer Sitzbank, einen Ringbuchblock auf den Knien, und schreibt mit, was vorn
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