Dornenliebe
Falk.«
»Du hast es erfasst. Nun sind wir endlich ganz zusammen, ohne dass uns jemand dabei stört.« Er legt den Arm um sie und will sie küssen, Luna schafft es nicht rechtzeitig, ihm ihre Lippen zu entziehen. »Du brauchst keine Vergangenheit, Luna. Hast du mir nicht selbst erzählt, wie schmerzlich sie für dich ist? Vergiss alles, was vorher war. Für dich gibt es jetzt nur noch mich. Nur wir beide - das ist es, was zählt.«
»Falk, ich möchte, dass du gehst«, hört Luna sich selbst sagen und erschrickt über ihre eigenen Worte, aber jetzt hat sie sie gesagt, jetzt kann sie nicht mehr zurück, auch wenn sie sich noch so sehr fürchtet vor dem, was gleich passieren wird, vor seinem Zorn, seiner Weigerung, dem weiteren, noch härteren Steigern seiner Kontrolle. Sich fürchtet sich davor, dass er brüllen, gewalttätig werden könnte. »Geh bitte. Ich kann das so nicht mehr.«
Über Falks Gesicht jedoch zieht sich nur ein schmales Lächeln.
»Das werde ich nicht tun«, erwidert er. »Ich habe unsere Beziehung begonnen, also bin ich auch derjenige, der sie beendet, wenn für mich der Zeitpunkt gekommen ist. Aber das ist er nicht und er wird auch nicht kommen, Luna. Also bleibe ich.«
Später im Bett liegt Luna lange wach, ausgelaugt, verzweifelt,
kann nicht einschlafen neben Falk. Es hat keine Versöhnung gegeben, kein sehnsuchtsvolles Aneinanderkuscheln, keine glättenden Worte erneuter Übereinkunft. Falk liegt neben ihr, Luna kann nicht schlafen, sie starrt an die Decke und fragt sich, weshalb sie das alles mit sich machen lässt, nicht selbst gegangen ist. Überlegt, wie es weitergehen soll. Eigentlich muss ich mich trennen, überlegt sie. Durch Jaron habe ich angefangen zu erahnen, wie es mit einem Jungen sein kann, leicht, normal, ein bisschen verrückt, aber positiv dabei, witzig, nicht so durchgeknallt, dass man nur noch den Kopf schütteln kann. Falk spinnt doch, sich einzubilden, nur ihm stünde es zu, die Beziehung zu beenden.
Zurück nach Remscheid gehen. Vielleicht ist die Hauptstadt nicht das Richtige für sie, vielleicht ist Luna nicht gemacht, in solchen Extremen zu leben, wie sie sie mit Falk erlebt, vielleicht hat sie sich zu viel zugemutet mit ihrer Idee, nach dem schlimmen Schicksalsschlag ganz allein nach Berlin zu ziehen. Doch sie will nicht zurück. Die Eltern haben genug durchgemacht, Luna will ihnen nicht noch mehr Kummer bereiten.
Sie malt sich aus, wie sie erneut versucht, die Trennung auszusprechen, und merkt, dass der Gedanke sie erneut in Angst versetzt. Angst vor Falk, Angst vor dem Alleinsein. Vielleicht hat Jaron nicht dasselbe gefühlt wie sie, vielleicht ist sie für ihn nichts weiter als eine nette Kommilitonin. Ganz allein weiterzumachen, traut sie sich nicht zu. Falk hat ihr Sicherheit versprochen. Wenn sie sich seinen Regeln unterwirft, wird ihr niemals Gefahr drohen.
Schlafen kann sie trotzdem nicht. Luna liegt wach, bis am Morgen der Wecker sie in einen neuen Tag schickt.
10.
I rgendwann in der zweiten Dezemberwoche kommt Schneeregen auf. In den Pausen zwischen den Vorlesungen kann Luna immer seltener nach draußen gehen, stattdessen hält sie sich in der Bibliothek oder im Flur auf, spricht mit dem »Streberkleeblatt« die letzten Vorlesungen durch oder holt sich am Automaten einen Becher Kaffee. An einem dieser Tage blickt sie sich suchend nach den vier Kommilitoninnen um, als ihr plötzlich jemand von hinten die Augen zuhält. Sie fährt zusammen, denkt sofort an Falk, der nicht davor zurückschrecken würde, ihr auch hierher zu folgen, doch er hat gesagt, er wäre den ganzen Tag mit einer Grundsteuergeschichte beschäftigt. So kurz vor den Weihnachtsfeiertagen, hatte er erklärt, wollten alle ihre Schäfchen ins Trockene bringen, um die Vergünstigungen des laufenden Jahres noch zu nutzen.
»Sarah?«, fragt sie, viel zu lange haben sie einander nicht mehr gesehen, plötzlich verspürt Luna Lust, mit ihr Neuigkeiten auszutauschen, zu erfahren, was Sarah in den letzten Wochen erlebt hat, wie es in ihrem eigenen Studium vorangeht. Doch die Hände in ihrem Gesicht fühlen sich anders an, breiter und kräftiger, trotzdem weich, es kann nur Jaron sein, schon vernimmt sie sein leises Lachen und erschrickt, als sie bemerkt, wie sehr es ihr gefehlt hat. Seit dem Abend in ihrem Hausflur haben sie sich bestenfalls von Weitem zugewunken, mehr hat
Luna nicht zugelassen. Sie ist ihm ausgewichen, doch jetzt hat er sie gefunden. Jaron lässt sie los und dreht sie zu sich
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