Dornenliebe
auch nie welche bekommen. Aber ich spüre es. Falk tut dir nicht gut. Du bist in Gefahr. Versprich mir, dass du auf dich aufpasst, Luna. Versprich es mir unbedingt.«
Luna nickt, ihre Gedanken wirbeln wild durcheinander, das kann alles nicht sein, Vielleicht irrt sich Jaron. Vielleicht kann sie mit Falk sprechen, er muss sich ihr anvertrauen, so wie sie auch ihm alles erzählt hat, vielleicht klärt sich alles auf. Teresas Tod kann ein Unfall gewesen sein, ein Selbstmord aus ganz anderen Gründen. Die Kripo hat sicher gründlich ermittelt.
»Luna, hör mich an«, beschwört Jaron sie erneut, legt seinen Zeigefinger unter ihr Kinn, zwingt sie, ihn anzusehen. »Egal, was passiert - du kannst immer zu mir kommen. Zusammen schaffen wir das. Ich lasse dich nicht allein.« Dann haucht er ihr einen Kuss auf die Wange, Luna spürt es wieder, dieses weiche, zarte Gefühl wie bei seiner letzten Umarmung, vertraut und liebevoll. Noch einmal sieht er sie eindringlich an, drückt ihre Hände, verabschiedet sich leise. Dann steht er auf und geht.
Luna atmet tief durch, schüttelt den Kopf. Du bist in Gefahr, Luna. Ich muss vorsichtig vorgehen, denkt sie; Falk darf keinen Verdacht schöpfen, darf nicht wissen, was ich weiß. Noch nicht. Am allerwenigsten darf er erfahren,
von wem ich diese Informationen habe. Ich muss Falk sprechen. Ihn anrufen, als ob nichts wäre. Vielleicht irrt sich Jaron. Vielleicht hat er das alles nur gesagt, weil er in mich verliebt ist. Bei diesem Gedanken lächelt Luna unwillkürlich vor sich hin.
Dann steht sie auf, fischt ihr Handy aus der Tasche und wählt.
11.
F alks Nummer ist besetzt. Luna ist nach draußen gegangen und hat einen Spaziergang durch die Dahlemer Villengegend gemacht, um einen klaren Kopf zu bekommen. Nun überlegt sie, ob sie zurück zur Uni gehen soll, doch Jarons Worte haben sie aufgewühlt, auf keinen Fall kann sie sich jetzt auf eine Vorlesung konzentrieren. Eine Weile lang steht sie unschlüssig auf dem Unigelände, geht ein paar Schritte auf und ab, atmet die kalte Luft des beginnenden Winters ein, sieht Teresas gesichtslose Gestalt in die Tiefe stürzen, stumm, hört den dumpfen Aufprall auf dem Asphalt, sieht den zerschmetterten Körper liegen, verdreht, entstellt, lange Haare in einer Blutlache klebend. Sieht Falk, am Boden zerstört, verzweifelt, das kann er nicht gewollt haben, so ist er nicht, darf er nicht sein, sie kennt ihn doch anders, vielleicht hat er sich geändert. Luna überlegt, ob sie ihn heute Abend drauf ansprechen soll, ganz behutsam, verständnisvoll, und nicht bei ihm, sondern bei sich zu Hause, in ihrer kleinen Wohnung, von der er ganz am Anfang gesagt hat, sie wäre wie ein Zufluchtsort für ihn, alles Belastende würde von ihm abfallen, wenn er bei ihr in ihren bescheidenen, aber gemütlichen Räumen ist. Aus einer Parterrewohnung kann man nicht tief fallen. Dann wird sie ihm vorschlagen, zusammen etwas Schönes zu unternehmen; zusammen über den Weihnachtsmarkt bummeln zum Beispiel.
Luna steigt in die U-Bahn und fährt nach Hause, wieder
klemmt ihr Schlüssel ein wenig, doch bei Tageslicht macht es nichts, sie zieht die Tür kurz zu sich heran, dreht den Schlüssel, drückt mit dem Oberschenkel nach, dann ist sie drin.
In ihrer Wohnung bleibt sie stehen, noch in Jacke und mit ihrer Tasche um die Schultern gehängt, mehrere Tage ist sie schon nicht mehr hier gewesen, meist hat Falk erwartet, dass sie nach der Uni zu ihm kommt, sie hat nicht gewagt zu widersprechen, zuzugeben, dass sie gern einmal wieder ganz allein frühstücken würde, gemütlich an ihrem kleinen Klapptisch in der Küche, vor dem Radio oder mit einer Zeitschrift. Er hätte es nicht zugelassen. Selbst jetzt meint sie fast, seinen Duft einzuatmen, diese besondere Mischung aus Sandelholz, Moschus und Kiefernnadeln, die nur ihm anhaftet, wahrscheinlich duftet sie seit der letzten Umarmung selbst noch danach. Sie schnuppert am Halsausschnitt ihres Pullovers, bemerkt nichts, doch der Duft hängt weiter in ihrer Nase.
Eine müde Nachmittagssonne wirft von der Straße her schräge Strahlen durch das Fenster und bringt den Staub zum Vorschein, der sich in den letzten Tagen gebildet hat. So kann ich Falk unmöglich empfangen, denkt Luna, eilt zurück in den Flur, um ihre Sachen an der Garderobe zu lassen, danach holt sie aus dem Schrank unter der Küchenspüle das Möbelspray und ein Staubtuch und kehrt ins Wohnzimmer zurück. Sie beginnt mit dem Bücherregal, hebt Gegenstände an und
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