Dornenliebe
überwinden, aber nach Medikamenten kann sie nicht auch noch fragen, Sarah hat schon so viel für sie getan. Sie lächelt ihrem Spiegelbild zu und geht zurück zu ihren beiden Freunden, bedankt sich bei Sarah, verspricht, sich zu revanchieren, sobald sich eine Gelegenheit ergibt.
»Lieber nicht«, erwidert Sarah und wehrt mit den Händen ab. »Aber Spaß beiseite. Du hast völlig recht, wenn du meinst, bei mir kann Falk dich jederzeit finden, wenn er will. Er war zwar noch nie hier, aber er wird natürlich alle Leute abklappern, von denen er weiß, dass sie dich kennen. Es brauchen nur Johannes oder Katharina herumzuposaunen, dass ich bei meinen Eltern bin, schon steht er vor der Tür.«
Luna nickt und hängt sich in Jarons Arm ein, natürlich kann sie auch bei ihm nicht bleiben, doch Jaron wieder zu verlassen, nachdem sie sich eben erst wiedergefunden haben, seit zwei Stunden erst offiziell ein Paar sind, erscheint ihr in diesem Augenblick schwerer als alles andere. Auch er drückt ihre Hand und erzählt Sarah von seiner Idee, Luna vorläufig in wechselnden Wohnungen bei verschiedenen Bekannten untertauchen zu lassen.
»Da fällt mir was ein.« Sarah steht vom Sofa auf und geht zur Tür, nimmt einen Schlüssel vom Haken und reicht ihn Luna. »Der gehört einem alten Kumpel von meinem Vater, der nur ein paar Häuser weiter wohnt und auch für ein paar Tage weggefahren ist. In der Zeit soll ich seine Yuccapalme gießen und die Schildkröten füttern. Das kannst genauso gut du erledigen, dann bin ich das los und du hast eine Bleibe. Wenn auch nur bis Donnerstag. Yorckstraße 71, Gartenhaus links, erste Etage. Der Name ist Alizadeh.«
Luna schließt ihre Hand um den Schlüssel.
»Du bist eine echte Freundin«, sagt sie. »Danke.«
»Dann lass uns keine Zeit verlieren.« Jaron wippt auf den Zehen. »Wenn die Hütte gerade unbewohnt ist, ziehe ich gleich mit ein.«
»Aber zur Uni kommst du?«, will Sarah wissen.
»Wahrscheinlich nicht«, antwortet Jaron und grinst. »Schreib für mich mit, wenn was Wichtiges ist.«
Als Luna und Jaron kurz darauf die fremde Wohnung betreten, hoffen sie, dass niemand sie beobachtet hat. Das Zimmer erinnert Luna an ihr eigenes, es ist ähnlich spärlich möbliert, wenn auch überlegter, durchgestylter, mit einem echten Kelim auf dem Dielenfußboden, einem hellen Futonsofa und Acrylmalereien moderner Künstler an der Wand. Sie spürt, dass ihre Augen zur Ruhe kommen, der Raum strahlt Frieden und Gelassenheit aus, bietet ihr eine Atempause, sie lässt sich auf den Futon fallen und schließt die Augen. Jaron hat das Schildkrötengehege entdeckt und nimmt eines der Tiere heraus, setzt sich neben Luna, beide streichen sachte mit den Fingern über den Panzer und die ledrige Haut. Später füttern sie ihn und seinen Partner mit grünem Salat und suchen auch für sich selbst etwas zu essen aus dem Kühlschrank, etwas Brot und Salami ist noch da, dazu öffnen sie zwei Bier.
Schon nach den ersten Schlucken spürt Luna, wie müde sie ist. Während sie im Bad ist, baut Jaron den Futon zu einem Bett für sie beide um. Sobald Luna sich hingelegt hat und ihn neben sich spürt, den Arm um ihre Taille geschlungen, fällt sie in einen tiefen Schlaf.
In der Nacht wacht sie auf und spürt, dass auch Jaron sich bewegt. Er liegt auf der Seite, das Gesicht zu ihr gewandt, die Augen geöffnet, sein weißes T-Shirt scheint in der Dunkelheit zu leuchten. Um sie beide herum ist es ganz still bis auf das leise Scharren der Schildkröten in ihrem Gehege, kein Straßenlärm dringt in die kleine Hinterhofwohnung. Zum ersten Mal seit Tagen, vielleicht seit Wochen, hat Luna das Gefühl, ruhig atmen zu können, ohne Anspannung, ohne sich innerlich zu verkrampfen. Jaron ist bei ihr, und zumindest heute Nacht kann Falk sie nicht finden, sie ist bei dem Jungen, in dessen Nähe sie sich geborgen fühlt, bei dem sie sie selbst sein kann, von dem sie geliebt und akzeptiert wird, so wie sie ist. Sie lächelt ihn an.
»Ich kann kaum glauben, dass du bei mir bist«, flüstert sie. »Gestern war ich noch in der Hölle, und jetzt sind wir hier, nur du und ich. Ich wünschte, dieser Moment würde für immer andauern.«
Jaron streicht ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
»Lieber nicht«, erwidert er leise. »Ich hab noch viel mehr mit dir vor.« Er beugt sich über sie und küsst sie, seine Hand wandert langsam und sanft über ihren Körper, Luna meint, noch nie so zarte Berührungen erlebt zu haben, es ist, als würde
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