Dornenschwestern (German Edition)
habe, dass ich seine Warnungen als Verrat betrachte, spricht er nicht mehr mit mir über Edward. Doch er redet mit anderen. Er spricht schlecht über die Königin …»
«Was sagt er über sie?»
«Er spricht unablässig schlecht über den König.»
«Ja, aber was sagt er?»
Richard wendet sich ab und blickt hinaus. «Ich bringe es nicht über die Lippen. Ich möchte mich nicht dazu herablassen, es zu wiederholen. Es ist zu abscheulich.»
Ich bedränge ihn nicht, denn ich kenne sein ausgeprägtes Ehrgefühl. Außerdem kann ich es mir denken. George sagt bestimmt, dass sein Bruder Edward ein Bastard ist, wodurch er gleichzeitig seine eigene Mutter verleumdet und entehrt, in dem Versuch, deutlich zu machen, dass er der wahre König ist. Und er behauptet, Elizabeth habe sich mittels Hexenwerk ins Bett des Königs geschlichen und ihre Ehe sei weder heilig noch rechtsgültig und ihre Kinder Bastarde.
«Und ich fürchte, George nimmt Geld von König Ludwig von Frankreich.»
«Jeder nimmt Geld von ihm.»
Richard lacht kurz auf. «Allen voran der König. Nein, ich meine nicht die Pensionen, Ludwig bezahlt George heimlich dafür, dass er sich so verhält, Männer anwirbt und seinen Anspruch auf den Thron betont und einen Vorstoß unternimmt. Es würde ihm zupasskommen, wenn das Land erneut im Krieg versinkt. Weiß Gott, was George sich dabei denkt.»
Ich sage nicht, dass George immer nur daran denkt, wie er für sich den größten Vorteil aus der Situation ziehen kann.
«Was denkt der König darüber?»
«Er lacht», antwortet Richard, «und schimpft George einen treulosen Hund. Er meint, unsere Mutter werde mit George sprechen, und schließlich könne er außer zu fluchen und zu schmollen wenig tun.»
«Und was sagt die Königin?», frage ich, wohl wissend, dass sie jeder Verunglimpfung ihrer Kinder entgegentreten wird – bis aufs Messer würde sie für ihren Sohn kämpfen –, und was sie rät, das wird der König tun.
«Nichts», erwidert Richard trocken. «Jedenfalls nicht mir gegenüber. Aber ich glaube, wenn George so weitermacht, wird sie ihn als ihren Feind und als Feind ihrer Söhne betrachten. Ich möchte nicht ihr Feind sein.»
Ich denke an den Papierfetzen in der Emaildose und an die beiden mit Blut geschriebenen Namen.
«Ich auch nicht.»
Als ich das nächste Mal zu den Gemächern des Duke of Clarence gehe, steht die Tür weit offen, und Truhen werden die Turmtreppe hinunter in den Stallhof geschafft. Isabel sitzt am Kamin, den Reiseumhang um die Schultern, die Hand auf ihrem mächtigen Leib.
«Was ist los?», frage ich.
Sie erhebt sich. «Wir gehen», sagt sie. «Begleite mich hinunter in den Stallhof.»
Ich nehme ihre Hand, um sie aufzuhalten. «Du kannst unmöglich in diesem Zustand reisen. Wohin wollt ihr? Ich dachte, du willst dich vor der Geburt nach L’Erber zurückziehen?»
«George sagt, wir können nicht am Hof bleiben», erwidert sie. «Es ist nicht sicher. Und auch nicht in L’Erber. Ich begebe mich nach Tewkesbury Abbey und bereite mich dort auf die Geburt vor.»
«Den halben Weg nach Wales!», rufe ich entsetzt aus. «Iz, das kannst du nicht!»
«Ich muss», sagt sie. «Hilf mir, Anne.»
Sie stützt sich auf mich, als wir die steinerne Wendeltreppe hinunter in den kalten, hellen Stallhof gehen. Einmal keucht sie leise. Sie ist wirklich nicht in der Lage, diese Reise anzutreten.
«Isabel, geh nicht. Komm zu mir, wenn du hier nicht bleiben willst.»
«Wir sind in London nicht sicher», flüstert sie. «Sie will George und mich vergiften. Sie hat vergiftete Speisen in unsere Gemächer geschickt.»
«Nein!»
«Doch. George sagt, am Hof sind wir nicht sicher, nirgendwo in London. Weil die Königin uns feindlich gesinnt ist, sind wir in großer Gefahr. Annie, du solltest auch gehen. Bring Richard dazu, dich nach Hause nach Middleham zu bringen. George ist überzeugt, dass sie Edward gegen George und auch Richard aufbringen wird. An Weihnachten wird sie zum Gegenschlag ausholen. Sie wird seine Brüder beschuldigen und einsperren lassen.»
Mich beschleicht eine solche Angst, dass ich für einen Moment kein Wort herausbringe. Ich nehme ihre Hände. «Isabel, das ist doch verrückt. George träumt einen Krieg herbei, er spricht unablässig schlecht über den König und davon, dass er selbst ein Recht auf den Thron hat, er lästert heimlich über die Königin. Er ist selbst schuld.»
Sie lacht freudlos. «Meinst du?»
Georges Oberstallmeister bringt die von Mauleseln getragene
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