Dornenschwestern (German Edition)
habe es versucht. Doch Edward ist der Königin hörig, er gibt nichts mehr auf mein Wort. Ich kann ihm unmöglich einen Rat geben, der sich gegen sie richtet.»
Die Herzogin schreitet mit gesenktem Kopf im Zimmer auf und ab. Zum ersten Mal sieht sie aus wie eine alte Frau, erschöpft vor Sorge.
«Wird Edward das Todesurteil über seinen Bruder verhängen?», fragt sie. «Werde ich nicht nur Edmund, sondern auch George verlieren? Wird er auch unehrenhaft zu Tode kommen, und wird sie seinen Kopf auf eine Lanze stecken lassen? Wird England von einer Wölfin regiert, die Margarete von Anjou in nichts nachsteht? Vergisst Edward, wer seine Freunde sind, seine Brüder?»
Richard schüttelt den Kopf. «Ich weiß es nicht. Er hat mich meines Postens als Lord High Steward of England enthoben, damit ich das Todesurteil nicht verhängen muss.»
Sie horcht auf. «Wer ist der neue Steward?»
«Der Duke of Buckingham. Er wird tun, was seine Rivers-Gemahlin ihm sagt. Gehst du zu Edward? Wirst du versuchen, ihn umzustimmen?»
«Natürlich», antwortet sie. «Ich gehe zu einem geliebten Sohn, um ihn wegen des Lebens seines Bruders anzuflehen. Warum habe ich das bloß nötig? Das haben wir alles dieser bösen Frau zu verdanken, der Hexe auf dem Thron.»
«Scht», sagt Richard müde.
«Ich werde nicht schweigen. Ich werde mich zwischen sie und meinen Sohn George stellen. Ich werde ihn retten.»
Baynard’s Castle, London
Februar 1478
W ir müssen bis Februar warten. Die Mitglieder beider Häuser des Parlaments schicken Abgeordnete, die den König bitten, ein Urteil über seinen Bruder zu fällen und die Angelegenheit so oder so zum Abschluss zu bringen. Schließlich ergeht das Urteil: George wird des Hochverrats für schuldig befunden, was mit dem Tod bestraft wird. Doch der König zögert, die Exekution seines Bruders zu befehlen. Niemand darf zu George. Er beruft sich aus dem Gefängnis auf sein Recht, sein Schicksal im Kampf Mann gegen Mann zu entscheiden – eine ritterliche Lösung für eine unehrenhafte Anklage. Es ist der letzte Verteidigungsversuch eines unschuldigen Mannes. Der König, der von sich behauptet, ein Vorbild an Ritterlichkeit zu sein, schlägt es ihm aus. Wie es scheint, wird diese Sache außerhalb der Ehre und des Rechts entschieden.
In der sicheren Gewissheit, dass sie ihn dazu bringen kann, das Todesurteil in ein Exil umzuwandeln, geht Herzogin Cecily, wie sie versprochen hat, zu Edward. Als sie vom Hof nach Baynard’s Castle zurückkehrt, braucht sie beim Aussteigen aus der Sänfte Hilfe. Sie ist so weiß wie ihr Spitzenkragen und kann sich kaum aufrecht halten.
«Was ist passiert?», frage ich sie.
Sie klammert sich auf den Stufen ihres prächtigen Londoner Hauses an mir fest. Noch nie hat sie die Hand nach mir ausgestreckt.
«Anne», ist alles, was sie herausbringt. «Anne.»
Ich rufe meine Hofdamen, und wir helfen ihr in meine Gemächer, setzen sie in einen Sessel vor dem Kaminfeuer und geben ihr ein Glas Madeirawein. Plötzlich fegt sie das Glas hinweg, und es zerbricht auf den Steinen der Feuerstelle.
«Nein! Nein!», schreit sie. «Bringt das nicht in meine Nähe!» Das süße Bouquet des Weins erfüllt das Zimmer, und ich knie zu ihren Füßen nieder und nehme ihre Hände. Ich glaube, sie phantasiert. Sie zittert und schreit: «Nicht den Wein! Nicht den Wein!»
«Gnädige Mutter, was ist los? Herzogin Cecily? So beruhige dich doch!»
Damals ist meine Schwiegermutter am Hof geblieben, während ihr Gemahl den größten Aufstand gegen einen König plante, den England je erlebt hat. Diese Frau stand in Ludlow am Marktkreuz, als ihr Gemahl davonlief und die lancastrianischen Soldaten die Stadt einnahmen. Sie vergießt so schnell keine Tränen und hat noch nie eine Niederlage eingestanden. Doch jetzt sieht sie mich an, blind vor Tränen, und stößt einen tiefen zittrigen Seufzer aus.
«Edward hat gesagt, das Einzige, was ich tun könne, sei, George die Wahl der Todesart anzubieten. Sterben müsse er. Diese Frau war die ganze Zeit dabei und hat nicht erlaubt, dass ich etwas zu Georges Gunsten sage. Das Einzige, wofür ich ihn gewinnen konnte, war ein nicht öffentlicher Tod in seinen Gemächern im Tower.»
Sie vergräbt das Gesicht in den Händen und weint hemmungslos. Ich sehe meine Hofdamen an. Wir sind derart schockiert, die Herzogin so zu sehen, dass wir hilflos im Kreis um die trauernde Mutter herumstehen.
«Mein Lieblingssohn, mein Schatz», flüstert sie. «Und er muss
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