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Dornenschwestern (German Edition)

Dornenschwestern (German Edition)

Titel: Dornenschwestern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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für Vater, komme, was wolle.»
    Ich lächele, damit sie sehen, dass ich stolz auf sie bin. Schweren Herzens steige ich auf mein Pferd und wische mir mit dem Handrücken die Tränen fort.
    «Ich schicke nach euch, sobald ich kann. Ich werde jeden Tag an euch drei denken und jeden Abend für euch beten.» Dann gibt Sir Robert das Zeichen, und unser kleiner Trupp reitet unter dem Bogen mit dem Fallgatter hindurch, über die Zugbrücke und in Richtung Süden auf die Straße nach London.
    Unterwegs hören wir bei jedem Halt neue, verwirrende Gerüchte. In Pontefract sagen die Menschen, die Krönung werde verschoben, weil die Ratsmitglieder ein verräterisches Komplott mit der Königin geschmiedet hätten. In Nottingham, wo wir die Nacht in der Burg verbringen, heißt es, sie wolle ihren Bruder Anthony Woodville auf den Thron setzen; andere sagen, sie wolle ihn zum Lord Protektor ernennen. Außerhalb von Northampton bekomme ich mit, wie jemand felsenfest behauptet, die Königin habe ihre Kinder zu unserer Schwägerin Margaret nach Flandern geschickt, weil sie fürchte, Henry Tudor könne sich des Throns bemächtigen.
    Vor St. Albans reitet ein Hausierer ein Stück des Weges neben mir her und erzählt mir, er habe von einem seiner hochgeschätzten Kunden gehört, die Königin sei überhaupt keine Königin, sondern eine Hexe, die den König verzaubert habe, und ihre Kinder seien keine wahren Erben, sondern durch Zauberei empfangen worden. Er hat eine neue Ballade im Gepäck: die Geschichte von Melusine, der Wassernixe, die so tut, als wäre sie sterblich, um von ihrem Herrn Kinder zu bekommen. In Wahrheit jedoch ist sie eine Nixe, eine Wasserhexe. Warum höre ich ihm nur zu, wie er aus voller Kehle seine Ballade singt? Warum schenke ich den Gerüchten überhaupt Beachtung, die meine Angst vor der bösen Königin nur weiter schüren? Doch ich kann nicht anders. Mittlerweile sind dem ganzen Land die Gerüchte zu Ohren gekommen, und alle fragen sich, was die Königin im Schilde führt. Hoffentlich kann Richard verhindern, dass sie ihren Sohn auf den Thron setzt und ihr Bruder in seinem Namen die Führung übernimmt und das Land wieder in einen Krieg stürzt.
    Als wir durch Barnet reiten, wo man sich immer noch daran erinnert, dass mein Vater gegen die Königin und ihre Familie gekämpft hat, biege ich vom Weg ab und gehe in die kleine Kapelle, die sie auf dem Schlachtfeld errichtet haben, und zünde eine Kerze für ihn an. Irgendwo da draußen, unter dem reifenden Korn, liegen die Leichname seiner Männer, die begraben wurden, wo sie gefallen sind, und irgendwo da draußen ist auch Midnight, das Pferd, das für uns sein Leben geopfert hat. Jetzt steht uns eine weitere Schlacht bevor, und diesmal wird, ja, diesmal muss der Schwiegersohn meines Vaters der Königsmacher sein.

Baynard’s Castle, London

Juni 1483
    I ch springe vom Pferd und renne die Stufen zu unseren Gemächern hinauf, und im nächsten Augenblick schlingt Richard die Arme fest um mich. Wir klammern uns aneinander wie Schiffbrüchige. Wie damals, als wir, kaum den Kinderschuhen entwachsen, zusammen wegliefen, um zu heiraten. Er ist der einzige Mann, bei dem ich mich sicher fühle, während er mich hält, als wäre ich die einzige Frau, die er je gewollt hat.
    «Ich bin so froh, dass du hier bist», flüstert er mir ins Ohr.
    «Und ich bin so erleichtert, dass es dir gut geht», erwidere ich.
    Wir lösen uns aus der Umarmung und sehen einander an, als könnten wir es nicht glauben, dass wir diese gefährliche Zeit heil überstanden haben. «Was ist los?», frage ich.
    Er schaut zur Tür, um sich davon zu überzeugen, dass sie verschlossen ist. «Ich habe einen Teil eines Komplotts aufgedeckt. Ich könnte schwören, dass ganz London daran beteiligt ist, doch wenigstens habe ich es am Schwanz gepackt. Edwards Geliebte, Elizabeth Shore, hat die Rolle der Vermittlerin zwischen Elizabeth Woodville und dem Freund des Königs, Williams Hastings, übernommen.»
    «Aber hat Hastings nicht nach dir geschickt?», unterbreche ich ihn. «Ich dachte, er wollte, dass der Prinz in unsere Obhut kommt.»
    «Das stimmt. Als ich nach London kam, fürchtete er die Macht der Rivers. Jetzt hat er die Seiten gewechselt. Ich weiß nicht, wie sie es fertiggebracht hat, aber sie hat ihn verzaubert, wie sie alle verzaubert. Doch ich habe es rechtzeitig erfahren. Sie hat einen Kreis von Verschwörern um sich geschart, die gegen den letzten Willen meines Bruders und gegen mich agieren.

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