Dornenschwestern (German Edition)
die junge Frau mit der schimmernden Haut, die den bezaubernden Charme ihres Vaters besitzt.
«Er hat gesagt, sie sei sein größter Schatz», bemerkt Richard. «Als wir uns von Flandern den Weg zurück nach Hause freikämpfen mussten, sagte er, er tue es für sie, selbst wenn alle anderen tot seien. Und es sei jedes Wagnis wert, sie noch einmal lächeln zu sehen.»
«Sie ist immer schrecklich verwöhnt worden», entgegne ich. «Sie haben sie überallhin mitgenommen, und sie hat sich immer vorgedrängt.»
«Und jetzt reicht sie mir bis an die Schulter und ist eine wahre Schönheit. Ich wünschte, Edward könnte sie sehen; ich glaube, sie ist noch schöner als ihre Mutter in dem Alter war. Sie ist eine erwachsene Frau, du würdest sie nicht wiedererkennen.»
Langsam macht sich Zorn in mir breit, als mir aufgeht, dass er sie gesehen haben muss. Während ich hier am Hofe war und Vorkehrungen für das Weihnachtsfest getroffen habe, mit dem wir unseren Triumph feiern wollen, hat er sich fortgestohlen zu ihrer dunklen, armseligen Behausung, die sie für sich gewählt hat.
«Du hast sie gesehen?»
Er zuckt die Achseln, als spielte es keine große Rolle. «Ich musste die Königin aufsuchen.»
Ich bin die Königin. Es scheint, als hätte er durch den Besuch bei der Woodville alles vergessen, was uns lieb und teuer ist. Alles, wofür wir gekämpft haben.
«Ich wollte sie nach den Jungen fragen.»
«Nein!», schreie ich auf und schlage die Hand vor den Mund, damit niemand hört, wie ich mit meinem Gemahl, dem König, streite. «Mylord, ich bitte dich. Wie konntest du nur? Warum hast du das gemacht?»
«Ich musste es wissen.» Er wirkt gequält. «Sie haben mir von Buckinghams Aufstand berichtet und was er zu der Zeit erzählt hat. Ich habe dir sogleich geschrieben.»
Buckingham erzählt allen, die Prinzen seien durch meine Hand gestorben.
Ich nicke. «Ja, ich erinnere mich. Aber …»
«Sobald ich hörte, dass alle erzählten, sie seien tot, habe ich unverzüglich jemanden zum Tower geschickt. Doch sie sagten nur, dass die Jungen fort seien. Kaum war ich in London, bin ich selbst zum Tower gegangen. Robert war dort …»
«Robert?», frage ich, als hätte ich den Namen des Kommandanten des Towers vergessen.
«Brackenbury», sagt er. «Ein wahrer Freund. Er ist mir treu. Er würde alles für mich tun.»
«O ja», sage ich und spüre die Furcht in meinem Bauch, als hätte ich Eiswasser getrunken. «Ich weiß, dass er alles für dich tun würde.»
«Er weiß nicht, was aus den Jungen geworden ist. Und er ist der Kommandant des Towers. Er wusste nur, dass die Jungen fort waren, als er in den Tower kam. Die Wachen behaupten, sie am Abend zu Bett gebracht und die ganze Nacht die Tür bewacht zu haben, und am nächsten Tag waren sie verschwunden.»
«Wie können sie so einfach verschwinden?»
Seine alte Tatkraft kehrt zurück. «Also, irgendjemand lügt. Jemand muss eine Wache bestochen haben.»
«Aber wer?»
«Ich dachte, die Königin hätte sie womöglich herausgeschmuggelt. Ich habe gebetet, dass sie sie fortgebracht hat. Deswegen war ich bei ihr. Ich habe ihr gesagt, ich würde sie nicht verfolgen, ich würde nicht versuchen, sie zu finden. Wenn sie sie irgendwo versteckt hat, könnten sie dort bleiben. Aber ich muss es wissen.»
«Was hat sie gesagt?»
«Sie ist auf die Knie gesunken und hat geweint wie eine Frau, die wahrlich bekümmert ist. Ich zweifle nicht daran, dass sie ihre Söhne verloren hat und nicht weiß, was mit ihnen geschehen ist. Sie hat mich gefragt, ob ich sie hätte. Falls sie tot seien, würde sie denjenigen verfluchen, der sie auf dem Gewissen hätte, und ihr Fluch würde den Sohn des Mörders treffen und seine Linie ausrotten. Ihre Tochter ist sich mit ihr einig, sie waren angsteinflößend.»
«Sie hat uns verflucht?», flüstere ich, meine Lippen sind blau angelaufen.
«Doch nicht uns! Ich habe ihren Tod nicht befohlen!», brüllt er mich in einem plötzlichen Wutausbruch an, dass seine Stimme in dem kleinen holzvertäfelten Raum widerhallt. «Alle glauben, ich wäre es gewesen. Glaubst du es auch? Meine eigene Gemahlin? Glaubst du, ich würde meine Neffen töten lassen, während sie in meiner Obhut sind? Nennst du mich einen Tyrannen mit Blut an den Händen? Ausgerechnet du, die mich so genau kennt? Die weiß, dass ich mein Schwert und mein Herz seit jeher ganz der Ehre verschrieben habe? Glaubst du, ich bin ein Mörder?»
«Nein, nein, Richard.» Ich greife nach seinen Händen
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