Dornenschwestern (German Edition)
wurde. Nur weil mein Vater mit voller Kraft das Steuer gepackt habe, sei es dem Steuermann möglich gewesen, das Schiff zu drehen. Nie wieder möchten sie eine solche Reise unternehmen, und wenn doch, dann nur unter meinem Vater. Er hat sie gerettet. Doch nie wieder werden sie mit Frauen an Bord in See stechen, die von einem Hexenwind verfolgt werden. Sie jubeln, dass sie überlebt haben, und glauben, dass das Schiff verflucht war, weil eine Frau in den Wehen lag und ein totes Kind zur Welt gebracht hat. Das Schiff wurde von einem Hexenwind gejagt, herbeigepfiffen von der Königin, um uns in die Hölle zu treiben. Wohin ich mich an Bord auch wende, überall verstummen sie. Sie glauben, der Hexenwind wird uns weiter folgen. Sie geben uns die Schuld.
Die Truhen werden aus dem Laderaum geholt, und endlich können wir uns waschen und etwas anderes anziehen. Isabel blutet noch, doch sie steht auf und zieht sich an, auch wenn die Kleider seltsam an ihr herunterhängen. Ihr stolzer Bauch ist fort, sie sieht nur noch dick und krank aus. Auch Izzys heiliger Gürtel und die Pilgerabzeichen für ihren rituellen Rückzug wurden zusammen mit ihrem Schmuck ausgepackt. Wortlos legt sie sie in die Kiste am Fußende unseres Betts. Zwischen uns herrscht eine schweigende Verlegenheit. Etwas Schreckliches ist geschehen, so schrecklich, dass wir es weder benennen noch darüber sprechen können. Sie widert mich an, ja, sie widert sich selbst an. Mutter bringt das tote Neugeborene in einer Kiste fort, und jemand segnet es und wirft es über Bord, glaube ich. Niemand sagt uns etwas, und wir fragen nicht. Ich weiß, dass ich ihm mit meinem unerfahrenen Ziehen die Hüfte ausgerenkt habe, aber ich weiß nicht, ob er daran gestorben ist. Ich weiß nicht, ob Izzy es glaubt oder ob Mutter es weiß. Niemand sagt etwas zu mir, und ich werde nie wieder davon sprechen. Ekel und Grauen lasten auf mir, und ich habe das Gefühl, als wäre ich seekrank.
Isabel sollte im Kindbett sein, bis sie den priesterlichen Segen erhalten hat, wir sollten alle in ihren Gemächern eingeschlossen sein und nach sechs Wochen herauskommen, um gereinigt zu werden. Doch wie verhält man sich, wenn ein Kind in einem Hexensturm auf hoher See tot zur Welt gekommen ist? Nichts ist so, wie es sein sollte. George sieht nach Isabel, als die Kabine sauber und ihr Bett frisch bezogen ist. Sie ruht auf dem Bett, als er hereinkommt, und er beugt sich über sie, um ihr einen Kuss auf ihre bleiche Stirn zu drücken, und lächelt mich an.
«Es tut mir leid für deinen Verlust», sagt er.
Sie sieht ihn kaum an.
«Unseren Verlust», verbessert sie ihn. «Es war ein Junge.»
Sein schönes Gesicht zeigt keinerlei Regung. Vermutlich hat Mutter es ihm schon gesagt.
«Wir werden weitere Kinder haben», sagt er, und es klingt eher wie eine Drohung und nicht besonders tröstlich. Schon wendet er sich wieder zur Tür, als könnte er es nicht erwarten fortzukommen. Ich frage mich, ob wir Tod und Angst ausdünsten und er es riechen kann.
«Wenn wir nicht auf See beinahe Schiffbruch erlitten hätten, hätte das Kind, glaube ich, überlebt», sagt sie und wird auf einmal gehässig. «In Warwick Castle hätte ich Hebammen gehabt, die sich um mich gekümmert hätten. Ich hätte meinen heiligen Gürtel tragen können, und der Priester hätte für mich gebetet. Wenn du nicht mit Vater gegen den König in den Kampf gezogen wärst und eine Niederlage hättest einstecken müssen, hätte ich meinen Sohn zu Hause bekommen, und er würde leben.» Sie unterbricht sich. Ihr hübsches Gesicht ist reglos. «Es ist deine Schuld.»
«Ich habe gehört, dass Königin Elizabeth wieder ein Kind erwartet», bemerkt er, als wäre es die Antwort auf ihre Anschuldigungen. «Bitte Gott, dass sie noch ein Mädchen oder auch ein totes Kind zur Welt bringt. Wir müssen vor ihr einen Sohn bekommen. Dies ist nur ein Rückschlag, nicht das Ende.» Er versucht, sie fröhlich anzulächeln. «Es ist nicht das Ende», wiederholt er und geht hinaus.
Isabel sieht mich mit ausdrucksloser Miene an. «Es ist das Ende meines Sohnes», bemerkt sie.
Vater allein weiß, was geschieht. Und obwohl wir geschlagen und heimatlos sind, gestrandet in der Mündung der Seine, ist er seltsam heiter. Seine Kriegsflotte entkommt aus Southampton und gesellt sich uns zu, sodass er Männer hat und sein prächtiges Schiff, die
Trinity
, wieder unter seinem Befehl steht. Er schreibt unablässig und schickt Nachrichten an König Ludwig von
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