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Dornenschwestern (German Edition)

Dornenschwestern (German Edition)

Titel: Dornenschwestern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Frankreich, doch er verrät uns nicht, was er vorhat. Er lässt sich nach französischer Mode neue Kleider schneidern und eine Samtkappe für sein dickes braunes Haar. Wir ziehen nach Valonges, wo die Flotte sich in Barfleur auf eine Invasion in England vorbereiten soll. Isabel lässt alles schweigend über sich ergehen. Sie und George bekommen prächtige Gemächer in der oberen Etage des Herrenhauses, doch sie geht ihm aus dem Weg. Die meiste Zeit des Tages verbringt sie mit mir in Mutters Audienzzimmer, wo wir die Fenster öffnen, die Läden jedoch wegen der Sonne schließen und den ganzen Tag in der warmen Düsternis sitzen. Sie klagt unablässig über Kopfschmerzen und Mattigkeit am Morgen, wenn sie wach wird. Einmal bemerkt sie, sie sehe in nichts einen Sinn, und als ich sie frage, was sie damit meine, schüttelt sie nur den Kopf, und ihre Augen füllen sich mit Tränen. Wir sitzen auf der steinernen Fensterbank des großen Gemachs, lassen den Blick über den Fluss und die grünen Felder schweifen, und alles erscheint uns sinnlos. Wir verlieren nie ein Wort über das Kind, das von Mutter in der kleinen Kiste weggebracht und dem Meer anheimgegeben wurde. Wir sprechen nie über das Gewitter, den Wind oder das Meer. Wir sagen überhaupt nicht viel, sondern sitzen die meiste Zeit schweigend da.
    «Ich wünschte, wir wären wieder in Calais», sagt Isabel plötzlich eines warmen, stillen Vormittags, und sie meint damit, dass sie wünschte, nichts von alldem wäre je geschehen – weder der Aufstand gegen den schlafenden König und die böse Königin, noch dass Vater gesiegt und einen Aufstand gegen König Edward angezettelt hat, vor allem hätte sie am liebsten auf die Heirat mit George verzichtet. Es ist fast, als wünschten wir uns, alle Ereignisse unserer Jugend hätten nicht stattgefunden. Als wünschten wir uns, wir hätten nie nach Größe gestrebt.
    «Was hätte Vater denn sonst machen sollen?» Natürlich musste er gegen den schlafenden König und die böse Königin kämpfen. Er wusste, dass sie im Unrecht waren, sie mussten vom Thron vertrieben werden. Und als sie geschlagen waren, konnte er das Paar, das sie ablöste, nicht ertragen. In einem von den Rivers regierten England konnte er nicht leben, er musste seine Standarte erheben. Er wird nicht eher ruhen, bis das Königreich von einem guten König regiert wird, mit uns als Berater an seiner Seite, und dieser König soll jetzt George sein. Ich verstehe, dass Vater nicht aufhören kann, danach zu streben. Als seine Tochter weiß ich, dass mein Leben auch fortan von diesem endlosen Kampf bestimmt sein wird, uns an den Platz zu bringen, der uns gebührt: die erste Machtstellung hinter dem Thron. Isabel sollte dies begreifen. Wir sind die Töchter des Königsmachers; England zu regieren ist unser Erbe.
    «Wenn Vater sich nicht gegen den König gestellt hätte, hätte ich mein Kind zu Hause bekommen», fährt sie gereizt fort. «Wenn wir an diesem Tag nicht Segel gesetzt hätten, bei diesem Wind, würde ich jetzt ein Kind in den Armen halten. Und so habe ich nichts. Ich habe nichts, und es schert mich kaum.»
    «Du wirst noch Kinder bekommen», sage ich, wie Mutter mich angewiesen hat. Isabel muss daran erinnert werden. Man darf nicht zulassen, dass sie sich in ihrer Verzweiflung vergräbt.
    «Ich habe nichts», wiederholt sie.
    Wir rühren uns kaum, als es an der Tür klopft, die Wachen die Doppeltür öffnen und eine Frau leise hereinkommt. Isabel hebt den Kopf.
    «Es tut mir leid, meine werte Mutter ist nicht hier. Wir können keine Ersuche entgegennehmen.»
    «Wo ist die Gräfin?», fragt die Frau.
    «Bei meinem Vater», antwortet Isabel. «Wer seid Ihr?»
    «Und wo ist Euer Vater?»
    Wir wissen es nicht, aber das werden wir ihr nicht sagen. «Er ist nicht da. Wer seid Ihr?»
    Die Frau schlägt ihre Kapuze zurück. Schockiert erkenne ich eine der yorkistischen Hofdamen: Lady Sutcliffe. Ich springe auf und trete vor Isabel, wie um sie zu beschützen.
    «Was tut Ihr hier? Was wollt Ihr? Kommt Ihr von der Königin?» Plötzlich ergreift mich schreckliche Furcht, dass sie hier ist, um uns beide zu töten, und ich schaue auf ihre Hände, die sie in ihrem Umhang versteckt hat, als hielte sie ein Messer.
    Sie lächelt. «Ich bin hier, um Euch zu sehen, Lady Isabel, und auch Euch, Lady Anne, und um mit Eurem Gemahl George, dem Herzog, zu sprechen.»
    «Wozu?», fragt Isabel jäh.
    «Wisst Ihr, was Euer Vater im Augenblick für Euch plant?»
    «Was?»
    Die Frau

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