Dornenschwestern (German Edition)
nicht, was ich machen sollte … und alles geschah so schnell. Wir wollten das Vermögen an uns bringen … und George sagte … und dann bist du weggelaufen …»
«Mir tut es auch leid», sage ich. «Ich weiß, dass du dich nicht gegen deinen Gemahl stellen konntest. Das verstehe ich jetzt.»
Sie nickt; sie möchte nicht über George sprechen. Eine Frau ist ihrem Gemahl Gehorsam schuldig, sie hat es an ihrem Hochzeitstag vor Gott gelobt; und Ehemänner fordern alle Pflichten ein, unterstützt von der Kirche und von der Welt. Isabel ist Georges Besitz, als wäre sie seine Dienerin oder sein Pferd. Auch ich habe Richard Lehnstreue geschworen, als wäre er ein Lord und ich eine Küchenmagd. Eine Frau muss ihrem Gemahl gehorchen, so wie ein Diener seinem Herrn gehorcht – das ist der Lauf der Dinge und das Gesetz Gottes. Selbst wenn sie weiß, dass er sich irrt.
Zögernd streckt Isabel die Hand nach meinem festen Bauch aus, der sich unter den gerafften Falten meines Kleids wölbt. Ich ergreife sie und lasse sie meinen breiter werdenden Körper ertasten.
«Annie, du hast schon einen ziemlich runden Bauch. Fühlst du dich wohl?»
«Am Anfang war mir oft übel, aber jetzt geht es mir gut.»
«Ich kann nicht glauben, dass du es mir nicht gleich gesagt hast!»
«Ich wollte ja», gestehe ich. «Ich wollte es wirklich. Aber ich wusste nicht, wie.»
Wir wenden uns von den anderen ab.
«Hast du Angst?», fragt sie leise.
«Ein wenig», antworte ich. Sie blickt mich mit ihren dunklen Augen an. «Große Angst.» Ich denke an die schaukelnde Kabine auf dem vom Sturm gebeutelten Schiff, als meine Mutter schrie, ich müsse das Kind aus Isabel herausziehen. Wie groß mein Entsetzen war, als der kleine Körper in ihr nachgab. Das Bild ist so stark, dass ich beinahe schwanke, als werfe das Meer uns wieder hin und her. Sie nimmt meine Hände, und es ist, als hätten wir gerade Land gesichtet und ich erzählte ihr von dem kleinen Sarg, und Mutter ließe ihn ins Meer gleiten.
«Annie, es gibt keinen Grund, warum bei dir etwas schiefgehen sollte», sagt sie ernst. «Meine Wehen waren wegen des Sturms viel stärker, wir waren in Gefahr. Du wirst sicher sein, und dein Gemahl …»
«Er liebt mich», sage ich bestimmt. «Er sagt, er wird mich nach Middleham Castle bringen und die besten Hebammen und Ärzte des Landes holen.» Ich zögere. «Würdest du …»
Sie wartet. Sie muss wissen, dass ich sie bei der Niederkunft gern dabeihätte. «Ich habe sonst niemanden», sage ich unumwunden. «Und du auch nicht. Was auch immer zwischen uns vorgefallen ist, Iz, wir haben jetzt nur noch uns.»
Kein Wort verlieren wir über unsere Mutter, die immer noch in Beaulieu gefangen gehalten wird. Ihr Land wurde ihr von unseren Ehemännern gestohlen. Sie schickt uns Droh-und Klagebriefe und schwört, sie werde nie wieder schreiben, wenn wir ihr nicht versprechen, ihr zu gehorchen und dafür zu sorgen, dass sie freikommt. Sie weiß, dass wir es geschehen lassen, machtlos unseren Ehemännern ausgeliefert. «Wir haben uns zu Waisen gemacht.» Meine Stimme klingt trostlos.
«Ich werde da sein», sagt sie.
Middleham Castle, Yorkshire
Frühjahr 1473
I sabel steht mir in den sechs Wochen vor der Geburt im Lady’s Tower in Middleham Castle zur Seite, und es kommt mir so vor, als durchlebten wir noch einmal die langen Tage unserer Kindheit. Männer haben hier keinen Zutritt, und so müssen die Holzscheite für die Kaminfeuer, die Servierplatten mit unserem Essen und alles, was wir sonst noch brauchen, am Fuß des Turms an eine der Frauen übergeben werden, die mir aufwarten. Der Priester kommt über die Holzbrücke von dem zentralen Burgfried und liest, hinter einem Wandschirm in der Tür stehend, die Messe und reicht die Hostie durch ein Eisengitter, ohne mich anzusehen. Wir bekommen so gut wie keine Neuigkeiten zu hören. Ein oder zwei Mal geht Isabel in die große Halle, um mit Richard zu speisen, und als sie zurückkommt, weiß sie zu berichten, dass der kleine Prince of Wales seinen Wohnort in Ludlow nimmt. Für einen Augenblick denke ich an meinen ersten Gemahl; der Titel Prince of Wales war der seine, die schöne Burg Ludlow hätte uns gehören sollen. Margarete von Anjou hatte geplant, dass wir nach unserem Sieg ein paar Monate dort leben sollten, um den Menschen von Wales unseren Willen aufzuzwingen. Doch all das ist vergangen, und ich gehöre dem Hause York an und sollte froh sein, dass ihr Prinz jetzt alt genug für einen eigenen
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