Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dornentöchter

Dornentöchter

Titel: Dornentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Pennicott
Vom Netzwerk:
»Schau nicht so sauertöpfisch drein. Ich bin nicht betrunken. Das ist bloß ein Stärkungsmittelchen für Mütter.« Ihre Augen wurden zu schmalen Schlitzen. »Hast du nicht auch manchmal das Gefühl, ein Stärkungsmittelchen zu brauchen, Tricky?«
    Ich starrte sie sprachlos an und bereute meinen Beschluss, sie zu besuchen.
    »Du lieber Himmel«, seufzte sie. »Jetzt komm schon rein. Und sieh mich nicht an wie eine strenge Lehrerin. Maxwell, deine kleine Tricky ist da!« Sie zog mich in den Flur. Im Haus roch es muffig, als wäre es schon lange nicht mehr mit Putzmittel und frischer Luft in Kontakt gekommen. Das Grammophon spielte ihre Lieblingsmelodie. Es schmerzte mich, das Lied zu hören, denn mir fiel sofort wieder ein, wie Pearl und Teddy getanzt hatten, ganz versunken in ihrem Verlangen nach einander.
    Sie führte mich ins Wohnzimmer, wo die Fensterbretter voller toter Fliegen lagen und Spinnweben in Fenstern und Ecken hingen. Kinderspielzeug und aus Zeitschriften herausgerissene Comics stapelten sich am Fußboden.
    »Maxwell? Tricky ist da!«, rief sie noch einmal. Die Kinder waren draußen in irgendein lautes Spiel vertieft.
    »Wie geht es dir, Pearl?«, erkundigte ich mich.
    »Wie sehe ich denn aus?«, fuhr sie mich an. Ich war mir nicht sicher, ob sie auf mich oder auf sich selbst oder einfach auf das Leben im Allgemeinen wütend war. »Du weißt, dass deine Mutter mit diesem dreckigen Priester hier war?«
    Ich war total schockiert. Mutter hatte nichts dergleichen erwähnt.
    »Eva sollte sich vor ihm in Acht nehmen.« Die Platte war zu Ende, und das Kratzen der Nadel löste die Musik ab. »Er ist ein schmutziger kleiner Teufel. Hat mal nach meiner Brust gegrapscht.« Sie zündete sich eine Zigarette an, ohne mir eine anzubieten. »Ich habe mich schon gefragt, ob er es wohl mit Eva treibt.«
    »Bitte unterlass solche Kommentare in Bezug auf meine Mutter«, wies ich sie zurecht, gezwungen Mutter zu verteidigen. Auch wenn ich Pearl insgeheim recht geben musste, dass Father Kelly einen lüsternen Blick hatte.
    »Ich hatte gehofft, du würdest anders sein, Tricky«, meinte Pearl. »Als ich dir das erste Mal begegnet bin, dachte ich, du würdest eine gewisse Lebensfreude besitzen. Ich dachte, du wärst nicht eine von den grauen Leuten, die in dieser farblosen Stadt wie Kuhfladen fallen gelassen wurden. Ich hatte gehofft, wir könnten Freundinnen sein.«
    »Wir sind Freundinnen«, setzte ich schwach an, doch sie lächelte nur unangenehm.
    »Du wirst bis ans Ende deiner Tage in diesem Kaff hocken, Birdie. Rauch und Nebel, eine alte Frau ganz allein, wie Eva. Wirst dich nachts unter der Bettdecke anfassen und immer noch von Maxwell träumen. Keine Kinder, für die du sorgen kannst. Kein Mann, der dich weckt. Nein, wir können keine Freunde sein, Birdie. Du bist mir zu verklemmt.«
    »Pearl! Was redest du denn da?« Maxwell stand mit gerötetem Gesicht im Türrahmen. Ich wagte es, ihn anzusehen, und wurde von einer Welle der Sehnsucht überwältigt. »Bist du jetzt auch noch gemein zu Tricky? Bist du vollkommen übergeschnappt?«
    »Ja!« Pearl spuckte ihm das Wort vor die Füße. »Ich bin übergeschnappt. Verrückt vor Langeweile, verrückt vor Angst, verrückt vor Wut, verrückt vor Trauer. Überlass mich meinem Wahnsinn. Lass mich in diesem Zimmer sein, wo du mich vor den braven, anständigen Langweilern von Pencubitt wegschließen kannst.« Sie wackelte mit dem Finger vor meiner Nase herum und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Die Fliegenmenschen von Pencubitt, die mit ihren riesigen Fliegenaugen alles sehen, alles verurteilen und fürs Protokoll der Geschichte Fliegendreck hinterlassen. Die tollen Bücher des Fliegenmists von deinen freundlichen Nachbarn.«
    »Werd erwachsen, Pearl!« Maxwell klang feindselig. Sie zuckte mit den Schultern, als würde seine Kritik ihr nichts bedeuten. Dann stand sie auf und tanzte laut singend durchs Zimmer.
    Das war der Moment, in dem ich hätte gehen sollen. Sie war entweder betrunken oder litt an einer Art Nervenanfall. Sie hatte klar zum Ausdruck gebracht, dass sie mir gegenüber keinerlei Zuneigung mehr verspürte. Ich war nur da, um verachtet und verspottet zu werden. Hätte ich auch nur einen Funken Mut gehabt, hätte ich sie darauf hingewiesen, dass sie unsere Freundschaft verraten hatte, indem sie mit Victor flirtete, als er mein Begleiter war. Sie hatte mich mit ihren abfälligen Bemerkungen über Maxwell verhöhnt. Sie hatte meine Gefühle für ihren Mann

Weitere Kostenlose Bücher