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Dornentöchter

Dornentöchter

Titel: Dornentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Pennicott
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erkannt, und es bereitete ihr Vergnügen, darauf herumzutrampeln. Ich hasste sie dafür, dass sie sich für etwas Besseres hielt als Menschen mit Moral und Anstand, und dafür, dass sie Leute verurteilte, die sie kaum kannte.
    »Weißt du, was ich am allerlangweiligsten finde?« Sie tanzte mit einem süffisanten Lächeln auf den Lippen. »Dass ihr beiden immer noch so nach einander lechzt. Warum gehen wir nicht einfach jetzt gleich nach oben? Dann könntet ihr das mal hinter euch bringen. Wir könnten beide von Tricky kosten.« Sie lachte tatsächlich, diese Hexe, als sie das sagte.
    Maxwell setzte sich in einen der Sessel und vergrub den Kopf in den Händen. Er zitterte. Später erzählte er mir, er sei so wütend gewesen, dass er sie am liebsten geschlagen hätte. Es zeigte, wie viel Charakterstärke er besaß – Pearl hätte selbst einen Heiligen an seine Grenzen gebracht.
    »Du hältst auch nie den Mund, was?«, murmelte er in seine Hände. »Soll ich bis in alle Ewigkeit dafür bestraft werden, dass ich dich hierhergebracht habe?«
    Pearl beachtete ihn nicht. »Warum bist du heute hier angekrochen, Tricky? Wolltest du dich daran ergötzen, dass Teddy tot ist? Du hast Blumen und eine Karte geschickt – wie süß –, aber bis jetzt hast du es nicht für nötig gehalten, dich mal zu zeigen. Violet war da, aber du nicht.«
    Also erklärte ich ihr, weshalb ich gekommen war. Ich ignorierte ihren eisigen Blick, während ich ihr von meiner Recherche und dem Buch erzählte, das den geheimen Tunnel in ihrem Haus erwähnte. Maxwell und Pearl sahen sich eine Weile schweigend an, in irgendeiner Art stummem Austausch vereint, ehe Pearl laut herauslachte. »Auf Tricky ist einfach Verlass.« Sie zündete sich eine weitere Zigarette an. »Niemand außer ihr würde sich so dafür interessieren, Leichen auszubuddeln.«
    »Verdammt noch mal, sei still!«, zischte Maxwell ihr zu. »Halt dein Maul, oder ich schwöre, ich nehme die Mädchen und ziehe heute noch aus.« Ich hatte Maxwell nie zuvor einen solchen Gefühlsausbruch zeigen sehen. Seine Drohung erschütterte mich bis ins Mark.
    Pearl war zu geschockt, um etwas zu sagen. Dann traten ihr plötzlich Tränen in die Augen. »Tricky, bitte geh jetzt«, meinte sie schließlich. »Erwähne diesen Tunnel nie wieder. Dort unten sitzt mein Teufel, der ihn bewacht.«
    Maxwell warf ihr einen warnenden Blick zu. »Ich bring dich zur Tür«, erklärte er mir. Er stand auf, und ich verabschiedete mich unbeholfen von Pearl, die so tat, als hätte sie mich nicht gehört. Sie hockte in dem Sessel, wo sie oft dicht neben Teddy gesessen hatte. Ich war schon fast an der Tür, als sie meinen Namen rief. Ich drehte mich um.
    »Danke, dass du vorbeigekommen bist, Birdie«, sagte sie. »Versuch, mir das mit Victor zu verzeihen. Ich habe dir an dem Abend einen Gefallen getan. Er ist ein Blindgänger und Langweiler. Er ist nicht gut genug für dich. Leg bei deinem Gott ein gutes Wort für mich ein, falls du noch mit ihm sprichst. Mir hört er nicht zu.«
    Ich versprach es ihr. Ich wollte nicht gehen. Sie schien nicht sie selbst zu sein, und obwohl sie mich so hintergangen hatte und unsere Freundschaft zerbröckelt war, hatte ich Angst davor, wozu sie fähig sein könnte. Sie wirkte so verwirrt. Ich ertrug es nicht, ein anderes Wesen in einem solchen Zustand zu sehen. Doch ich unterdrückte meinen Impuls, zu bleiben. Wer weiß, wie anders sich die Dinge entwickelt hätten, wenn ich es getan hätte? Das war das letzte Mal, dass ich sie lebend sah. Weniger als eine Stunde später war Pearl tot.
    Die Polizei stellte mir endlos Fragen. Sie vermuteten, Maxwell und ich hätten eine Affäre und darin läge unser Motiv für den Mord an Pearl. Ich beschrieb ihnen den Mann, mit dem ich auf der Hauptstraße beinahe zusammengestoßen wäre, kurz nachdem ich Pearl verlassen hatte. Der Nebel war so dicht, dass ich sein Gesicht kaum sah. Ein Fremder, dachte ich, da er meinen Gruß nicht erwiderte. Doch die Polizei tat so, als hätte ich ihn mir nur ausgedacht. Und da es sich um eine solch seltsame Begegnung handelte in diesem ungewöhnlich dichten Nebel, hatte ich mich im Lauf der Jahre selbst gefragt, ob das der Fall war. Ihre Verdächtigungen brachten mich dazu, mich in meinen Aussagen zu verstricken. Ich widersprach mir selbst, ließ Details aus. Was ich jedoch absichtlich nicht erwähnte, war Maxwells Drohung, Pearl zu verlassen, da ich wusste, wie sie seine Worte auslegen würden. Mehr als allen anderen war mir

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